Neue Zielstrukturen für Diagnostik / Therapie von Darm-Tumoren

Etwa 15% aller sporadischen Dickdarm-, Gebärmutterschleimhaut- und Magenkarzinome sowie die meisten Tumoren, die im Rahmen des sogenannten Lynch-Syndroms (eine erblich bedingte Darmkrebserkrankung) entstehen, weisen einen Funktionsverlust des zellulären DNA Mismatch-Reparatursystems auf. Dieses System dient der Korrektur von Fehlern in der zellulären Erbsubstanz (DNA), die während der Zellteilung auftreten können. Als Folge des Defekts akkumulieren betroffene Tumorzellen während der Zellteilung zahlreiche Mutationen (meist kleine Deletionen und Insertionen von Nukleotiden), die besonders häufig repetitive DNA Sequenzen (Mikrosatelliten) betreffen und damit zur Mikrosatelliteninstabilität (MSI) im gesamten Tumorzellgenom führen.

Da in MSI-Tumorzellen auch codierende, d.h. translatierte Mikrosatelliten, bestimmter Gene von diesen Deletionen/Insertionen betroffen sind, kommt es durch dieVerschiebung des Leserasters zur Synthese von oftmals verkürzten Proteinen mit veränderter Aminosäuresequenz (Neo-Peptide) am C-terminalen Ende. Man geht davon aus, dass MSI-Tumorzellen eine Vielzahl solcher Proteine mit Neo-Peptiden synthetisieren. Diese Neo-Peptide sind Tumor-spezifische Zielstrukturen und eröffnen damit als potentielle Tumormarker völlig neue Möglichkeiten für die Diagnostik und Therapie von MSI-Tumoren. Bisher gibt es noch keine systematischen Untersuchungen zum Nachweis solcher Neo-Peptid-Proteine in MSI Tumorzellen. Ursache dafür ist der vergleichsweise geringe Anteil dieser aberranten Proteine am gesamten Proteingehalt der Zelle.

Die Forschergruppe um Prof. Kopitz und Dr. Gebert fokussiert ihre Untersuchungen auf Membran-spannende oder sekretierte Proteine von MSI Darmtumorzellen, da Neo-Peptide dieser Proteine an der Zelloberfläche exponiert oder als Neo-Peptid Proteine in die extrazelluläre Umgebung sezerniert werden. Mit Hilfe bioinformatischer Verfahren werden alle codierenden Mikrosatelliten für Gene dieser beiden Proteinklassen aus einer speziellen Datenbank identifiziert und deren Leserastermutationsfrequenz in MSI-Darmtumor-Zellinien und -Geweben bestimmt. Von denjenigen Kandidatengenen, die die höchste Mutationsfrequenz aufweisen, sollen rekombinante Neo-Peptid-Proteine hergestellt werden. Für diese gereinigten Neo-Peptid-Proteine werden zunächst an MSI Darmtumorzellinien biochemische Fraktionierungs- und Nachweismethoden etabliert und optimiert, um anschliessend mittels Routine-Assays diese MSI-spezifischen Markerproteine in Gewebe- und Serumproben von MSI Tumorpatienten nachzuweisen.

Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Kopitz, Heidelberg
Tel: 06221-562683, Fax: 06221-565983,
email: juergen.kopitz@med.uni-heidelberg.de;
Dr. Johannes Gebert, Heidelberg
Tel: 06221-562878,
email: johannes.gebert@med.uni-heidelberg.de;
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 180.000 €. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 160 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Media Contact

Bernhard Knappe idw

Weitere Informationen:

http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Das Mikrobiom verändert sich dynamisch und begünstigt wichtige Funktionen für den Wirt

Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Kieler SFB 1182 untersucht am Beispiel von Fadenwürmern, welche Prozesse die Zusammensetzung des Mikrobioms in Wirtslebewesen steuern. Alle vielzelligen Lebewesen – von den einfachsten tierischen und…

Wasser im Boden – genaue Daten für Landwirtschaft und Klimaforschung

Die PTB präsentiert auf der Woche der Umwelt, wie sich die Bodenfeuchte mithilfe von Neutronenstrahlung messen lässt. Die Bodenfeuchte hat nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern ist als Teil…

Bioreaktor- und Kryotechnologien für bessere Wirkstofftests mit humanen Zellkulturen

Medizinische Wirkstoffforschung… Viele Neuentwicklungen von medizinischen Wirkstoffen scheitern, weil trotz erfolgreicher Labortests mit Zellkulturen starke Nebenwirkungen bei Probanden auftreten. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel die verwendeten Zellen aus tierischem…

Partner & Förderer