Kunststoffe exakter prüfen

Die spezielle Form des Prüfkörpers erlaubt wesentlich realistischere Prüfszenarien für Bauteile aus Kunststoff. © Fraunhofer LBF<br>

Nichts war es mit der gemütlichen Sonntagsfahrt. Schon nach wenigen Kilometern bleibt das Auto stehen. Der Grund für den unfreiwilligen Stopp: Ein winziger Riss in der Benzinpumpe hat den Motor lahm gelegt. Eine Laufzeit von mehreren tausend Betriebsstunden war zu viel für das aus Kunststoff bestehende Bauteil.

Damit solche ungewollten Vorfälle rar bleiben, testen Spezialisten regelmäßig wichtige Kunststoffkomponenten. Denn der Werkstoff, den wir umgangssprachlich gerne auch »Plastik« nennen, erfüllt nicht nur im Auto wichtige Aufgaben: Er sorgt beispielsweise dafür, dass unsere Waschmaschine läuft, der Kaffee aus der Maschine gut schmeckt, Abflussrohre sauber bleiben, Dämmmaterialien dicht halten – und, und und. Sein Einsatzgebiet ist schier unbegrenzt.

Da jedes Bauteil ganz unterschiedlich auf Belastungen reagiert, ist es sehr kompliziert exakte Prüfergebnisse zu gewinnen. Um den Aufwand überschaubar zu halten, testen die Forscher nicht einzelne Bauteile, sondern schematisch Prüfkörper des gleichen Materials. Den typischen Ablauf erklärt Dominik Spancken vom Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt:

»Üblicherweise erhalten wir von unseren Kunden eine bestimmte Menge Kunststoffgranulat, den Ausgangsstoff für Plastikprodukte. Aus diesen formen wir die Prüfkörper und setzen sie unterschiedlichen Belastungen aus. Unsere Rechner erfassen die Werte und errechnen ein Lebensdauermodell für das jeweilige Material.« Der Nachteil dieser Methode: Die Forscher können immer nur eine räumliche Belastung, zum Beispiel einen punktuellen Druck oder Zug, untersuchen. Tatsächlich sind Kunststoffkomponenten jedoch meist mehraxialen Belastungen ausgesetzt: Sprich, sie werden von allen Seiten traktiert. »Die Messungen blieben deshalb oft nur Annährungswerte«, beschreibt Spancken das Dilemma.

Wasserdruck simuliert Belastungen

Am realistischsten lassen sich die Belastungen, die auf Kunststoffe wirken, mit dem Innendruckverfahren darstellen. Dabei presst eine spezielle Apparatur ein flüssiges Medium wie Wasser, Öl oder Lauge von innen an die Wände des Prüfkörpers. Dieser Vorgang simuliert eine gleichmäßige Druckverteilung. Das Problem: Mit den bisher zu Verfügung stehenden, starren Prüfformen und -vorrichtungen war das nicht möglich. Die Forscher mussten das Design des Prüfkörpers, den Prozess und die Prüfapparatur anpassen. Das gelang ihnen mit dem »MultiTester«, einem thermoplastischen Kunststoffkörper, der innen hohl ist und von der Form ein wenig an eine Käseglocke erinnert. Er lässt sich einfach im Spritzgussverfahren herstellen und an unterschiedlichste Testszenarien anpassen: Zum Beispiel können Wanddicke, Umwelteinflüsse oder Belastungsarten beliebig variiert werden. Die Wissenschaftler sind außerdem in der Lage, zu bestimmen, wie hoch der Einfluss von verstärkenden Fasern ist. »Meist halten diese Spezialmaterialien den doppelten Druck aus«, schildert Spancken.

Die neue Methode ergänzt die bisherigen Prüfszenarien, die nach wie vor genutzt werden, um erste Vorhersagen über das Belastungsverhalten eines bestimmten Bauteils zu machen. Der »MultiTester« überprüft die ermittelten Daten und definiert noch exaktere Belastungsgrenzen. Wer sich ein Bild des neuen Prüfkörpers machen will, kann das auf der »Composites Europe« von 17. bis 19. September in Stuttgart. Dort präsentiert das LBF die Technologie in Halle 6 an Stand A02 erstmals der Öffentlichkeit.

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M.Eng. Dominik Spancken Fraunhofer Forschung Kompakt

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