Betreuungsangebot für Kleinkinder: Westen holt nur langsam auf

Der Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren kommt in Westdeutschland nur schleppend voran. Insgesamt müssten die alten Bundesländer ihr bisheriges Ausbautempo verdoppeln, wollen sie, wie vom Kinderförderungsgesetz vorgesehen, bis zum Jahr 2013 Betreuungsplätze für 35 Prozent der unter Dreijährigen anbieten.

Dies geht aus dem neuen „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2009“ der Bertelsmann Stiftung hervor, der das Angebot der Bundesländer nach den Kriterien Teilhabe, Qualität und Investitionen miteinander vergleicht.

Dabei macht die Studie große Qualitätsunterschiede bei den verschiedenen Gruppentypen aus: „Die Bildungschancen kleiner Kinder hängen offenkundig auch davon ab, welche Art von Kitagruppe sie besuchen“, sagte Dr. Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung.

Wichtiges Kriterium für die Qualität der Betreuung ist der Personalschlüssel. Er beschreibt, wie viele ganztags betreute Kinder in einer Gruppe auf eine Vollzeitkraft kommen. Laut Studie verfehlen geöffnete Kindergartengruppen (Zwei- bis Sechsjährige) mit einem Verhältnis von 1 zu 9,3 im Bundesdurchschnitt den von der Bertelsmann Stiftung für Kinder unter drei empfohlenen Personalschlüssel von 1 zu 3 am deutlichsten. In Ostdeutschland (1 zu 12,1) besuchen allerdings lediglich sechs Prozent der betreuten unter Dreijährigen solche Gruppen, in Westdeutschland (1 zu 9) ist es hingegen mehr als ein Viertel. „Der Ausbau im Westen darf nicht auf Kosten der Qualität gehen, indem man einfach Kindergartengruppen für Zweijährige öffnet und den größeren Betreuungsbedarf der ganz Kleinen ignoriert“, kommentierte Dräger diese Zahlen.

Laut Studie haben Krippengruppen im Bundesdurchschnitt den vergleichsweise günstigen Personalschlüssel von 1 zu 6 (im Westen 1 zu 5,2; im Osten 1 zu 6,5). Rund 55 Prozent der betreuten unter Dreijährigen in den neuen Ländern besuchen Krippengruppen, im Westen sind es nur rund 23 Prozent. Rund 33 Prozent der unter Dreijährigen im Osten und 44 Prozent in den westlichen Ländern werden in altersübergreifenden Gruppen betreut. Hier beträgt der Personalschlüssel im Bundesdurchschnitt 1 zu 7,7 (West: 1 zu 6,9; Ost: 1 zu 9,4).

Das im Kinderförderungsgesetz festgelegte Ausbauziel für Westdeutschland von Betreuungsplätzen für 35 Prozent der unter Dreijährigen bis zum Jahr 2013 scheint nach derzeitigem Stand nur schwer erreichbar. Im Jahr 2008 gab es Plätze für 12,2 Prozent. Wird das Ausbautempo der vergangenen Jahre beibehalten, reicht das Angebot im Jahr 2013 für 22,8 Prozent der unter Dreijährigen. Am weitesten fortgeschritten ist der Ausbau in Hamburg (Betreuungsplätze für 22,9 Prozent); in Niedersachsen (9,2 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (9,4 Prozent) ist die Lücke am größten.

Insgesamt hat die Teilhabe von Ein- und Zweijährigen an Kindertagesbetreuung in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Die Teilhabequote schwankt aber im Bundesländervergleich enorm. Bei den Einjährigen bewegte sie sich im vergangenen Jahr zwischen sieben Prozent in Niedersachsen und 65 Prozent in Sachsen-Anhalt. Dort haben Kinder von Geburt an einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Bei den Zweijährigen lag mit einer Teilhabequote von 86 Prozent ebenfalls Sachsen-Anhalt vorn. Schlusslichter waren hier Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit jeweils 19 Prozent.

Auch die Investitionen in frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung variieren deutlich zwischen Ost und West sowie den einzelnen Bundesländern. Die neuen Länder investieren pro Kind unter zehn Jahren im Schnitt rund 2.200 Euro, die westdeutschen Länder 1.400 Euro. Die Spannweite liegt zwischen rund 1.100 Euro in Niedersachsen und 2.400 Euro in Sachsen.

Grundlage der Auswertungen sind Daten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik des Jahres 2008 sowie eine schriftliche Befragung der Bundesländer für den Ländermonitor 2009 der Bertelsmann Stiftung. Die Berechnungen hat die Dortmunder Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendhilfestatistik im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vorgenommen.

Rückfragen an:
Anette Stein,
Telefon: 0 52 41 / 81-81 274;
E-Mail: anette.stein@bertelsmann-stiftung.de
Kathrin Bock-Famulla,
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Ute Friedrich idw

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