Die Geburt des Mondes – die Eltern sind Theia und Gaia

Aus Untersuchungen an Erd- und Mondgestein sowie Meteoriten haben jetzt Geowissenschaftler vom Mineralogischen Institut der Universität Münster und vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie die Entstehungsgeschichte des Mondes abgeleitet. Demnach ist der Erdtrabant vor 4,53 Milliarden Jahren durch die Kollision zwischen der Erde und einem Kleinplaneten entstanden. Er besteht zumindest zur Hälfte aus Erdmaterial (Science, 4. Juli 2003).

Der nächtliche Sternenhimmel hat die Menschheit schon seit Jahrtausenden fasziniert und dazu bewegt, sich Gedanken über die Herkunft des scheinbar größten Himmelsgestirns, des Mondes (in der griechischen Mythologie Selene genannt), zu machen. Schon früh erkannten die Menschen, dass der Mond um die Erde (in der griechischen Mythologie Gaia genannt) kreist und bekannte Naturphänomene wie Ebbe und Flut sowie gelegentlich eine Sonnenfinsternis erzeugt. Lange ging man davon aus, dass sich die Erde mit ihrer großen Anziehungskraft den Mond „eingefangen“ hat und dieser sich deswegen heute auf einer Umlaufbahn um die Erde bewegt.

Seit den ersten Mondlandungen verfügen die Wissenschaftler über Gesteinsproben vom Mond. Untersuchungen dieser Proben belegen, dass der Mond in seiner chemischen Zusammensetzung der Erde zwar sehr ähnlich ist, sich im Detail aber von ihr auch etwas unterscheidet. So hat der Mond beispielsweise einen viel geringeren Gehalt an Eisen als die Erde. Aus diesem Grund vermuten Planetenforscher heute, dass der Erdtrabant durch einen Zusammenprall der Erde mit einem Kleinplaneten entstand. Dieser hypothetische marsgroße Planet wird Theia genannt. Theia ist in der griechischen Mythologie die Mutter der Mondgöttin Selene. Seit mehr als 20 Jahren rätseln die Wissenschaftler darüber, wann diese katastrophale Mondgeburt stattfand und wie viel Mondmaterial jeweils von den beiden Elternplaneten, Theia und Gaia, stammt.

Geowissenschaftler vom Mineralogischen Institut der Universität Münster und vom Mainzer Max-Planck Institut für Chemie konnten jetzt diese Frage durch genaue Messungen des Gehalts der seltenen chemischen Elemente Niob (Nb) und Tantal (Ta) in Gesteinen von der Erde, vom Mond und in Meteoriten klären. Diese beiden Elemente verhalten sich fast wie „eineiige Zwillinge“: Sie reagieren chemisch fast gleich und werden nicht von einander getrennt. Deshalb kommen Nb und Ta überall im Sonnensystem im gleichen Verhältnis vor. Der Münsteraner Carsten Münker und seine Kollegen konnten nun zeigen, dass in der siliziumreichen Hülle der Erde etwa 30 Prozent Niob – im Vergleich zum Tantal – fehlt und dass sich das „fehlende“ Niob im metallischen Erdkern befindet. Die Untersuchungen von Meteoriten aus dem Asteroidengürtel und vom Mars belegen wiederum, dass in diesen Himmelskörpern kein Niob in der Silikathülle fehlt. Der Grund für diesen Unterschied zwischen der Erde und den anderen Himmelskörpern liegt daran, dass sich Niob nur bei extrem hohen Drücken im Metallkern löst. Nur die Erde hatte die dafür nötige Größe, so dass bei der Bildung des Eisenkerns ein derart hoher Druck entstehen konnte, der ausreichend war, um einen Teil des Niobs im Kern aufzunehmen. Interessanterweise fanden die Forscher nun heraus, dass auch im Mond etwas Niob fehlt, und das, obwohl er viel kleiner als die Erde oder der Mars ist. Über die Menge an Niob, die im Mond fehlt, kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass mindestens die Hälfte des Mondes von der an Niob verarmten Silikathülle der Erde stammen muss.

Aus diesen wichtigen Beobachtungen ergibt sich folgendes Szenario für die Entstehung von Erde, Mond und dem gesamten Sonnensystem: Vor etwa 4,56 Milliarden Jahren begann das Sonnensystem sich aus einem solaren Nebel zu formen. Innerhalb weniger Millionen Jahre sammelte sich das meiste Material (ca. 99%) in seinem Zentrum und bildete die Sonne. Aus dem verbleibenden 1% formierten sich die Planeten. Nach etwa 30 Millionen Jahren hatte die Erde schon fast ihre heutige Größe erreicht und verfügte bereits über einen eisenreichen Metallkern und einen siliziumreichen Mantel. Das Ende der Bildung dieses metallischen Kernes wurde ebenfalls kürzlich am Institut für Mineralogie in Münster datiert. Ungefähr zeitgleich kollidierte ein etwa marsgroßer Himmelskörper (Theia) mit der Erde. Durch die Gewalt des Zusammenstoßes wurde dieser Kleinplanet zerstört, doch auch von der Erde wurden Teile der siliziumreiche Hülle weggesprengt. Dieses Trümmermaterial mischte sich im Orbit um die Erde. Es enthielt weniger Eisen als die Erde, da ihr eisenreicher Metallkern von der Zerstörung weitgehend verschont blieb. Aus diesem Schutt eines Kleinplaneten und Teilen der Erdhülle ballte sich dann der Mond zusammen.

Originalveröffentlichung:

Carsten Münker, Jörg A. Pfänder, Stefan Weyer, Anette Büchl, Thorsten Kleine, Klaus Mezger:
Evolution of planetary cores and the Earth – Moon system from Nb/Ta systematics. Science, 4. Juli 2003

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Carsten Münker
Institut für Mineralogie
Universität Münster
Tel. (+49-251)8333401
E-Mail: muenker@nwz.uni-muenster.de

Prof. Albrecht W. Hofmann
Max-Planck-Institut für Chemie
Tel.: (+49-6131)305281
E-Mail: hofmann@mpch-mainz.mpg.de

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Dr. Mirjana Kotowski Max-Planck-Institut für Chemie

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