Wie Zellen auf mechanische Reize reagieren
Rezeptoren agieren im Körper als eine Art Schleuser: Sie sitzen in der Zellmembran und registrieren außerhalb der Zelle bestimmte Moleküle wie Neurotransmitter oder Hormone. Diese Information gibt der Rezeptor in die Zelle weiter, die dann darauf reagieren kann.
Rezeptoren, die ihre Signale über sogenannte G-Proteine intrazellulär weiterleiten, werden G-Protein gekoppelte Rezeptoren oder kurz GPCR – für das englische G protein-coupled receptor – genannt. Durch GPCRs kann der Mensch sehen, sein Immunsystem steuern und den Hormonhaushalt lenken.
Doch Rezeptoren reagieren nicht nur auf Moleküle. Auch mechanische Reize wie Vibrationen, Schallwellen, Dehnungen oder Scherkräfte können, vermittelt über einen Rezeptor, eine Reaktion der Zelle auslösen. Zellen sind ständig mechanischen Kräften ausgesetzt, so wird beispielsweise die Lunge beim Einatmen gedehnt, Zellen im Muskel werden gezogen und Blutzellen in der Zirkulation mechanisch gestresst.
Die Zellen reagieren auf diese mechanischen Kräfte, doch wie genau sie diese aufnehmen und verarbeiten, ist weitestgehend unklar. Leipziger Forscher haben nun einen Mechanismus entschlüsselt, wie die biochemische Antwort der Zelle aussehen kann.
Sie untersuchten den Rezeptor CD97/ADGRE5, einen sogenannten Adhäsions-GPCR (aGPCR), die eine Untergruppe der GPCRs bilden. „Wir haben Zellen, die CD97 sehr stark in der Membran exprimieren, mechanischen Stimuli wie Berührung oder Scherkräften ausgesetzt.
Die Zellen zeigten darauf eine eindeutige biochemische Reaktion“, sagt Prof. Dr. Gabriela Aust, Leiterin von Forschungslaboratorien der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie und der Klinik für Viszeral-, Transplantations-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Leipzig, die die Studie leitete.
In Antwort auf diesen mechanischen Reiz wurde dem Rezeptor an seinem intrazellären Ende Phosphor zugefügt, was wie ein An- und Ausschalter für die weiteren Interaktionen des Rezeptors mit anderen Molekülen in der Zelle wirkt. Durch diesen Vorgang wird unter anderem das unmittelbar unter der Zellmembran gelegene Zellskelett verändert.
Es hält wie die Verstrebungen eines Regenschirms die Zelle aktiv in Form. Phosphoryliert die Zelle nach einem mechanischen Reiz den Rezeptor CD97, verändert sie ihre Form und löst ihre Kontakte mit anderen Zellen oder der extrazellulären Matrix auf.
„Das ist wichtig für Zellen, die durch Gewebe wandern, wie Immunzellen, die zum Ort einer Entzündung eilen oder Tumorzellen, die fern von ihrer Entstehung im Körper Metastasen bilden. Genau in diesen Zellen wird der Rezeptor in Geweben am stärksten exprimiert und auch phosphoryliert“, erklärt Prof. Aust.
Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) im Rahmen der Forschergruppe FOR2149, die die Signalisierung der Adhäsions-GPCR aufklären möchte, finanziert und in Kooperation mit Leipziger Wissenschaftlern des Rudolf-Schönheimer-Instituts für Biochemie und des Peter-Debye-Instituts für Physik der weichen Materie realisiert.
„Durch diese Studie verstehen wir besser, wie aGPCRs die Antwort von Zellen auf mechanische Kräfte regulieren, sagt Prof. Dr. Dr. Tobias Langenhan, Sprecher der Forschergruppe FOR2149 und Professor für Allgemeine Biochemie am Rudolf-Schönheimer-Institut. Schwerpunktmäßig interessieren sich viele Wissenschaftler der Forschergruppe für die Arbeit von aGPCRs als Zellantennen von mechanischen Kräften. Auf diesem spannenden neuen Gebiet der Zellbiologie und Biochemie sind so weitere neue Erkenntnisse zu erwarten.
Dr. Katarina Werneburg
„Mechano-Dependent Phosphorylation of the PDZ-Binding Motif of CD97/ADGRE5 Modulates Cellular Detachment”, DOI: 10.1016/j.celrep.2018.07.071.
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