Ausbildungsreife: Jugendliche und Berufsbildungsfachleute

Dies ist das Ergebnis einer Fachleute- und Auszubildendenbefragung, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) durchgeführt hat. Dabei werden unter dem Begriff „Ausbildungsreife“ all diejenigen Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden, die für alle Ausbildungsberufe wichtig sind und schon bei Antritt der Lehre vorhanden sein sollten. Demgegenüber gehören Qualifikationen, die nur für bestimmte Berufe wichtig sind, zur berufsspezifischen Eignung.

Befragt wurden mehr als 250 Auszubildende und rund 500 Berufsbildungsexperten/-innen aus unterschiedlichen Institutionen, deren Arbeitsschwerpunkte im Bereich der beruflichen Bildung liegen (unter anderem Ausbilder/-innen in Betrieben, Wissenschaftler/-innen, Lehrer/-innen, Gewerkschafts- und Arbeitgebervertreter/-innen).

– Kennzeichen von Ausbildungsreife

Über 90 % aller Befragten gehen übereinstimmend davon aus, dass Schlüsselqualifikationen wie Zuverlässigkeit sowie die Bereitschaft, zu lernen und Leistung zu zeigen, Merkmale von Ausbildungsreife sind. Zudem werden Verantwortungsbewusstsein, Konzentrationsfähigkeit, Durchhaltevermögen, Höflichkeit, Beherrschung der Grundrechenarten, einfaches Kopfrechnen, Sorgfalt, Rücksichtnahme und Selbstständigkeit sowohl von der großen Mehrheit der Jugendlichen als auch von der der Experten und Expertinnen als Kennzeichen von Ausbildungsreife verstanden.

Demgegenüber werden von beiden Gruppen vor allem die Beherrschung der englischen Sprache, betriebswirtschaftliche Vorkenntnisse und Grundkenntnisse im IT-Bereich eher als Merkmale einer beruflichen Eignung denn als Kennzeichen für Ausbildungsreife wahrgenommen. Auch der korrekte Umgang mit der deutschen Sprache (Beherrschung der deutschen Rechtschreibung, mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit) wird eher als berufsspezifisches Eignungsmerkmal verstanden. BIBB-Präsident Manfred Kremer: „Auch wenn die Grundlagen von allen beherrscht werden müssen, so besitzt doch der gekonnte Umgang mit der deutschen Rechtschreibung und Sprache zum Beispiel für Kaufleute sicherlich einen höheren Stellenwert als für manch andere Berufe.“

– Ausbildungsreife keine Garantie mehr für Lehrstelle?

Jugendliche sehen sich in der Diskussion um das Thema Ausbildungsreife häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, ihre unzureichenden Qualifikationen seien ein entscheidender Grund für die angespannte Lage auf dem Lehrstellenmarkt. Die befragten Jugendlichen und Fachleute teilen diese Auffassung nicht: Nur die wenigsten Experten/-innen (26 %) sowie Auszubildenden (36 %) führen die Schwierigkeiten auf dem Lehrstellenmarkt auf die mangelnde Ausbildungsreife der Lehrstellenbewerber/-rinnen zurück. Vielmehr gehen über 80 % der Jugendlichen und Berufsbildungsfachleute davon aus, dass selbst vorhandene Ausbildungsreife heutzutage keine Garantie mehr für einen Ausbildungsplatz ist. Konsens zeigen beide Gruppen auch dahingehend, dass sie Schulnoten und -abschlüsse als Indikatoren von Ausbildungsreife ablehnen.

Aber nicht in allen Punkten stimmen die Auszubildenden mit dem Meinungsbild der Berufsbildungsfachleute überein: Etwa doppelt so viele Jugendliche wie Fachleute gehen davon aus, die Ansprüche der Unternehmen seien nur deshalb so hoch, weil es mehr Lehrstellenbewerber/-rinnen als freie Lehrstellen gebe. Zudem denken etwa ein Viertel mehr Jugendliche als Fachleute, die Kritik der Wirtschaft an der mangelnden Ausbildungsreife der Jugendlichen sei lediglich ein Versuch, von der schwierigen Lehrstellensituation abzulenken.

Die vollständigen Ergebnisse der Befragung sind enthalten in:
Eberhard, Verena: Das Konzept der Ausbildungsreife – ein ungeklärtes Konstrukt im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen. Wissenschaftliche Diskussionspapiere des BIBB (Heft 83). Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn, 2006.

Das Dokument kann im Internetangebot des BIBB unter nachstehendem Link abgerufen werden.

Inhaltliche Auskünfte im BIBB erteilt:
Verena Eberhard, Tel.: 0228 / 107-1118, E-Mail: eberhard@bibb.de

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Andreas Pieper idw

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