Forschung zum Schutz der Tiere: Zwei Forscher erhalten Felix-Wankel-Preis 2007

PD Dr. Kristin Schirmer arbeitet im Bereich der Ökotoxikologie. Im Mittelpunkt Ihrer Forschungsarbeiten steht der Ersatz von Tierversuchen mit Fischen, den am häufigsten eingesetzten Wirbeltieren bei der ökotoxikologischen Risikobewertung von Chemikalien und Industrieabwässern. Sie wird für ihre neuartigen Entwicklungen und innovativen Wege zur Verbesserung der Nutzung von so genannten in vitro-Modellen für die Chemikalienüberprüfung und Umweltüberwachung mit dem Preis ausgezeichnet. Bei der Verwendung von in vitro-Modellen untersuchen die Wissenschaftler, wie Chemikalien auf isolierte Zellen, so genannte Zelllinien, von Tieren im Reagenzglas wirken. Dazu entwickelt Kristin Schirmer und ihre Arbeitsgruppe Methoden, die es ermöglichen, mit Hilfe einzelner Zelllinien von Fischen Toxizitätsstudien durchzuführen, für die man bisher stets Fische im Tierversuch benötigte.

Im Sinne des Tierschutzes sind solche Methoden von besonderer Bedeutung. Denn in den nächsten Jahren warten mehr als 20.000 chemische Stoffe auf ihre Tests auf Umweltverträglichkeit und Toxizität. Grund dafür ist eine neue Richtlinie der Europäischen Union. Diese sieht vor, dass nun auch Altchemikalien, also chemische Stoffe die schon lange im Einsatz sind aber bisher nicht getestet wurden, auf Toxizität überprüft werden müssen. Viele dieser Stoffe werden anhand von Fischen überprüft. Dadurch würde die Anzahl der Fischtests weiter steigen, da sie Voraussetzung für die Zulassung von Chemikalien im Rahmen des Chemikalien- und Pflanzenschutzgesetzes sind. „Gemeinsam mit kanadischen Wissenschaftlern konnten wir zeigen, dass es eine Korrelation zwischen toxischen Wirkungen auf eine Zelllinie aus den Kiemen und den Gesamtfisch gibt“, sagt Kristin Schirmer. „Somit können wir mit solchen Zellkulturen, die jeweils repräsentativ für verschiedene Organe des Fisches stehen, eine Reihe von Tests durchführen, ohne dass jedes Mal ein Fisch sterben muss.“ Die Zellkulturen aus Leber, Kieme oder Darm von Fischen lassen sich inzwischen komplett im Reagenzglas, ohne weitere Verwendung von Tieren kultivieren.

„Neben meiner Forschungsarbeit liegt mir viel daran, meinen Studenten Respekt vor der Natur zu vermitteln“, sagt Kristin Schirmer. „Ich möchte sie begeistern für die vielen unbeantworteten Fragen in der Natur und ihnen aufzeigen welche Rolle sie selbst darin spielen. Gleichzeitig möchte ich sie dazu animieren eine offene, unvoreingenommene, aber auch kritische Einstellung gegenüber wissenschaftlichen Entwicklungen und technischen Neuerungen einzunehmen.“

Kristin Schirmer ist Leiterin der Nachwuchsgruppe für Molekulare Tierzelltoxikologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Sie ist zugleich Assistant Professor im Department für Biologie an der Universität von Waterloo, Kanada.

PD Dr. med. Jürgen Biederer hat ein Thoraxmodell für die Forschung an bildgebenden Verfahren zur Darstellung der Lunge etabliert. Das Thoraxmodell besteht aus einem Plexiglas-Behälter in der Größe eines menschlichen Oberkörpers. Er ermöglicht es, anstelle von lebenden Versuchstieren Herz und Lungen von Schlachtschweinen für medizinische Experimente zu verwenden. Krankhafte Befunde, z. B. ein Lungenödem oder Metastasen, können damit simuliert werden.

In Deutschland erkranken jährlich knapp 37.000 Menschen an Lungenkrebs. Fast alle sterben daran, denn die Tumore verursachen erst in fortgeschrittenen Stadien Symptome und werden zu spät entdeckt. Entsprechend schlecht ist die Prognose für die betroffenen Patienten: Weniger als 15 Prozent überleben die nächsten fünf Jahre. Wenn die Geschwulst jedoch frühzeitig entdeckt wird, besteht eine Chance auf Heilung. Jürgen Biederers Radiologen-Arbeitsgruppe erforscht, wie sich bildgebende Verfahren wie die Computertomografie (CT) oder auch die Magnetresonanz-Tomographie (MRT) zur frühen Diagnostik von Lungenerkrankungen eignen. Besonders interessant dabei ist, ob die MRT-Methode, die im Gegensatz zur CT nicht mit belastenden Röntgenstrahlen arbeitet, in der Tumor-Früherkennung Anwendung finden kann. Aufgrund seines Luftgehalts ist das Lungengewebe nämlich kein idealer Kandidat für die MRT-Methode. Daher muss zunächst gezeigt werden, ob sich die MRT auch bei sehr kleinen Veränderungen bewährt. Dann wäre sie ein ideales Werkzeug zur Früherkennung kleiner Tumore.

Um dies an Schweinelungen von Schlachttieren zu testen, hat Jürgen Biederer sein Thoraxmodell aus einem Plexiglas-Behälter entwickelt. Mit Hilfe des Modells kann die Schweinelunge im luftgefüllten Zustand untersucht werden, nachdem die Mediziner Gewebestückchen unterschiedlicher Größe als „Tumorersatz“ eingepflanzt haben. „Mit der MRT-Methode haben wir auf diese Weise 50 Prozent der ein bis zwei Millimeter kleinen Rundherde und 88 Prozent der vier bis fünf Millimeter großen Herde entdeckt“, fasst Jürgen Biederer zusammen. Mit diesen ermutigenden Ergebnissen kann nun eine Vielzahl von Versuchen an lebenden Tieren durch die Verwendung der Lungenpräparate von Schlachttieren ersetzt werden.

Jürgen Biederer ist Oberarzt am Universitätsklinikums in Kiel. Dort leitet er die radiologischen Einrichtungen in der I. Medizinischen Klinik.

Den Felix-Wankel-Tierschutz-Forschungspreis gibt es seit 1972. Er ist damit der älteste seiner Art in Deutschland und wurde zum Vorbild für eine Reihe ähnlicher Preise. Seit 1985 erfolgt die Vergabe durch ein Kuratorium in das die LMU als Institution eingebunden ist. Ihm gehören Vertreter der Felix-Wankel-Stiftung, von der Stiftung benannte Wissenschaftler und von der Tierärztlichen Fakultät bestellte Professoren an. Vorsitzender des Kuratoriums ist der Rektor der LMU.

Zur Preisverleihung am 12. April 2007 ab 18 Uhr in der Großen Aula der LMU, Geschwister-Scholl-Platz 1, sind Medienvertreter herzlich eingeladen.

Ansprechpartnerin für Interviewwünsche mit den Preisträgern:
Dr. Anna-Caroline Wöhr
Tierärztliche Fakultät
Tel.: 089 / 159278-11
E-Mail: woehr@lmu.de

Media Contact

Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-muenchen.de/

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