Profilierung auf dem Zukunftsfeld der Bioinformatik


Virtuelles Biolabor – neuer Studiengang – neue Professuren: Saarbrücker Konzept eines Kompetenzzentrums konnte sich im bundesweitem Wettbewerb durchsetzen

Mit zunächst fast 5 Millionen Mark fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) an der Universität des Saarlandes den Aufbau eines interdisziplinär arbeitenden Kompetenzzentrums für Bioinformatik. Insgesamt sind für die nächsten fünf Jahre über 10 Millionen an Fördergeldern vorgesehen. Wissenschaftler verschiedener Fächer aus den Biowissenschaften und der Informatik unter maßgeblicher Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Informatik sind an diesem Projekt beteiligt, bei dem nicht nur die Forschung, sondern auch die Ausbildung im hochmodernen und anwendungsträchtigen Gebiet der Bioinformatik vorangetrieben werden soll.

Die Förderung ist das Ergebnis einer DFG-Initiative „Bioinformatik“, bei der eine international zusammengesetzte Gutachtergruppe aus über 30 Bewerbungen aus ganz Deutschland auswählte. Die Empfehlung Saarbrückens als Standort für Bioinformatik kann nicht hoch genug veranschlagt werden, da Saarbrücken damit einige der renommiertesten wissenschaftlichen Standorte Deutschlands ausstach. Nur Projekte in Bielefeld, Leipzig, Tübingen und München wurden auch noch gefördert.

An diesem zukunftsweisenden saarländischen Projekt sind Forscher aus mehreren wissenschaftlichen Bereichen beteiligt: Informatiker (Lenhof, Mehlhorn, H.-P. Seidel, R. Seidel, Wahlster, Weikum), Mathematiker (Louis), Pharmazeuten (Lehr, Hartmann, José), Biochemiker (Bernhardt, Heinzle), Biologen (Giffhorn), Chemiker (Springborg) und Mediziner (Meese, Hüttermann).

Was ist Bioinformatik?

Spätestens seitdem die weitgehende Entschlüsselung des menschlichen Genoms in diesem Jahr weltweit Schlagzeilen machte, gilt die Bioinformatik als die Wissenschaft und die Biotechnologie als der Wirtschaftszweig der Zukunft. Das gigantische Datenreservoir des menschlichen Genoms ist mit Hilfe der Bioinformatik inzwischen beinahe vollständig erschlossen worden. Jetzt geht es darum, Algorithmen und Software zu entwickeln, um die noch unbekannte biologische Funktion vieler neuer Gene sowie ihr Zusammenwirken mit anderen Genen zu erschließen. Zu den Perspektiven, die sich daraus ergeben, gehört die Entwicklung neuer Medikamente, die auf molekularer Ebene in krankheitsbedingt „gestörte“ Prozesse eingreifen, um die „Störung“ sozusagen „im Innersten“ zu beheben. Hierum geht es bei dem Saarbrücker Projekt. Es ist also genau genommen die Pharma-Bionformatik, die im Mittelpunk der Forschung des neuen Kompetenzzentrums steht.

Die Vision des Saarbrücker Konzepts ist ein virtuelles Biolabor zur Modellierung und Simulation biochemischer Prozesse. Forschung und Entwicklung wird damit ungleich zielgerichteter und schneller erfolgen können als mit den in-vivo- und in-vitro-Versuchen der herkömmlichen Labors. Diese klassischen Methoden sollen mit dem Saarbrücker Modell auf ein Minimum reduziert werden. Dass dabei Versuchstiere geschont und der Aufwand chemischer Labors zurückgefahren werden kann, sind weitere erfreuliche Aspekte des virtuellen Biolabors.

Die ersten geplanten Komponenten des virtuellen Biolabors sollen den Entwicklungsprozess für neue Arzneimittel grundlegend verändern. Dadurch wird es möglich sein, in kürzerer Zeit wirksamere Medikamente mit weniger Nebenwirkungen zu entwickeln. Dieser Prozess reicht von der Identifizierung neuer therapeutischer Targets über das Design neuer Wirkstoffe durch Modellierung und Simulation, einschließlich ihres Transports über biologische Barrieren, bis hin zur Modellierung von Biokatalysatoren zur Wirkstoff-Herstellung.

Die Entwicklung besserer Arzneimittel mit den schnelleren Methoden eines virtuellen Biolabors bezeichnet allerdings „nur“ den Forschungsaspekt des neuen Kompetenzzentrums. Als weitere zukunftsweisende Innovation soll es einen Studiengang tragen. Charakteristisch für diesen neuen Studiengang „Bioinformatik“ wird seine ausgeprägte Interdisziplinarität sein, bei der sich Informatik und Biowissenschaften in ihrem Gewicht die Waage halten. Voraussichtlich ab Wintersemester 2001/2002 wird man an der Universität des Saarlandes Bioinformatik studieren können, und zwar mit den Abschlüssen Bachelor (nach 6 Semestern), Master (3 bis 4 zusätzliche Semester) und Promotion (weitere drei Jahre). Ein Interims-Studiengang, der einen Einstieg noch in diesem Jahr ermöglichen soll, ist in Vorbereitung.

Für das Gesamtkonzept des Zentrums für Bioinformatik sind zwei neue Professuren vorgesehen, deren eine – Bioinformatik mit Schwerpunkt „Metabolische und regulatorische Netzwerke“ – unmittelbar vor der Besetzung steht. Kandidat dafür ist Privatdozent Dr. Hans-Peter Lenhof. Dieser Wissenschaftler, von Haus aus Informatiker und Chemiker, ist Initiator und Koordinator des Saarbrücker Kompetenzzentrums für Bioinformatik. Derzeit leitet er noch die Bioinformatikgruppe des MPI.

Weitere Fragen beantworten Ihnen
1. zum Gesamtprojekt: Privatdozent Dr. Hans-Peter Lenhof, Tel (0681) 9325-120
2. speziell zur Arzneimittelherstellung: Prof. Dr. Claus-Michael Lehr, Tel.(0681) 302-3039
3. zur Bedeutung für die Universität: Prof. Raimund Seidel Ph.D., Tel.(0681) 302-4513

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 Dr. Manfred Leber

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