Gesundheitswirtschaft in der doppelten Modernisierungsfalle

Qualifizierte Arbeit ist die Achillesferse der prosperierenden Gesundheitswirtschaft. Denn der derzeitige und noch wachsende Fachkräfteengpass in zentralen Berufsgruppen der Gesundheitswirtschaft ist hausgemacht.

Arbeitsbedingungen und -organisation sind oft veraltet und das System der beruflichen Bildung aktuell nur bedingt auf die Modernisierung und Professionalisierung der Branche eingestellt. Diese Thesen stehen im Mittelpunkt einer Neuerscheinung aus dem Institut Arbeit und Technik (IAT) der Fachhochschule Gelsenkirchen. Ist die Gesundheitswirtschaft „große Hoffnung oder Sorgenkind“?

Die Gesundheitswirtschaft gilt mit ihren derzeit rund 4,5 Millionen Beschäftigten als Wachstumsbranche. Die Aufbruchstimmung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Branche derzeit, wie die Untersuchungen der Sozialwissenschaftlerin Michaela Evans vom IAT zeigen, in einer „doppelten Modernisierungsfalle“ befindet: Einerseits agieren Berufs-, Beschäftigungs- und Bildungssystem in zentralen Gesundheitsberufen weitgehend entkoppelt voneinander. Andererseits werden in den Unternehmen und Einrichtungen nur selten Organisations- und Personalentwicklung systematisch miteinander verknüpft.

Was auf der einen Seite als erfolgreiche Modernisierung interpretiert wird, erweist sich bei näherer Betrachtung nicht selten als Einstieg in die Deprofessionalisierung. Um neue Angebots- und Arbeitsfelder zu erschließen ist eine integrierte Organisations-, Qualifikations- und Berufsfeldentwicklung dringend nötig, diese steht jedoch vielfach erst am Anfang.

Der Anspruch, „einfach gute Arbeit“ leisten zu wollen, erscheint angesichts der hohen Arbeitsbelastung für viele Beschäftigte nur noch bedingt einlösbar. Die Verdichtung des Leistungsgeschehens in den Einrichtungen wird zudem durch Strukturumbrüche in der Personalzusammensetzung begleitet. Handlungsorientierte Professionalisierungsstrategien im Sinne einer Verzahnung von Arbeit, Organisation und Kompetenzentwicklung werden bislang kaum berücksichtigt.

Dem Anspruch einer „neuen Arbeitsteilung“ zwischen den Gesundheitsberufen stehen, so Evans, derzeit segmentierte Professionalisierungs- und Organisationsstrategien gegenüber. Der Perspektivwechsel vom Verwaltungs- zum Managementparadigma in Unternehmen der Gesundheitswirtschaft konnte zudem nur bedingt zur Professionalisierung der Personalarbeit selbst beitragen.

Ob in der Gesundheitswirtschaft der Schritt vom „Sorgenkind“ zur „großen Hoffnung“ gelingt, wird vor allem davon abhängen, dass qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Ebenso wichtig ist aber auch, dass die Beschäftigten möglichst lange und gerne in der „Zukunftsbranche“ arbeiten möchten und können. Dazu gehören moderne Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung ebenso wie Konzepte, die die spezifischen Lebens-, Berufs- und Arbeitssituationen von Frauen in den Blick nehmen, denn diese stellen in vielen Gesundheitsberufen derzeit die Mehrheit der Beschäftigten.

Weitere Informationen:

Evans, Michaela, 2008: Die große Hoffnung oder Sorgenkind der Dienstleistungsökonomie? Die Gesundheitswirtschaft als Gestaltungsfeld personenbezogener Dienstleistungsarbeit.

Saarbrücken: VDM Verl. Dr. Müller. ISBN 978-3-8364-4442-2

Für Fragen steht Ihnen zur Verfügung:
Michaela Evans, Durchwahl: 0209/1707-121, E-Mail: evans@iat.eu
Claudia Braczko
Institut Arbeit und Technik
der Fachhochschule Gelsenkirchen
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Munscheidstraße 14, 45886 Gelsenkirchen
Tel.: +49-209/1707-176, Fax: +49-209/1707-110
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