Darmkrebsvorsorge zu wenig genutzt

Darmkrebs ist in Deutschland die zweithäufigste Krebstodesursache – 29.000 Menschen sterben jährlich daran. Ein besonders großes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, besteht bei familiärer Disposition, das Risiko steigt noch einmal an, wenn die Erkrankung bei einem Verwandten ersten Grades vor dem 60. Lebensjahr diagnostiziert wurde.

Aber: Mehr als 90 Prozent der Darmkrebsfälle könnten durch eine Vorsorgekoloskopie (Darmspiegelung) verhindert oder geheilt werden. Professor Dr. Tim Greten, Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat jetzt die Ergebnisse einer Studie vorgelegt, in der er die Teilnahme an der Darmkrebsvorsorge bei Verwandten ersten Grades von Darmkrebspatienten untersuchte, die zum Zeitpunkt der Diagnose das 60. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten.

„Die Untersuchung hat gezeigt, dass die betroffenen Verwandten, die über das Risiko der familiären Disposition aufgeklärt waren, deutlich häufiger eine Koloskopie durchführen ließen als die nicht Aufgeklärten“, erklärt Professor Greten. „Allerdings ließen sich auch in dieser Personengruppe insgesamt nur 27 Prozent untersuchen.“

Die Studie versteht sich deshalb auch als Aufklärungskampagne, um möglichst viele Patienten und Angehörige zu erreichen und für eine Vorsorgeuntersuchung zu sensibilisieren. „Das ist uns gelungen, wir haben mit diesem einfachen Weg sehr viele Risikopersonen erreichen können“, sagt Professor Greten. „Und wir konnten auch darüber aufklären, dass das Risiko nicht nur die eigenen Kinder betrifft, die häufig noch viel zu jung sind, sondern vor allem Eltern und Geschwister.“ Das sei vielen Patienten nicht klar gewesen.

Die Mediziner verschickten Fragebögen an 602 Patienten, die zwischen 2002 und 2005 an Darmkrebs erkrankt und jünger als 60 Jahre waren. 442 Patienten (73 Prozent) beantworteten den Fragebogen, sie waren im Durchschnitt 51 Jahre alt. Gefragt wurde nach dem Wissen der Patienten um das erbliche Risiko, die Häufigkeit von Darmkrebserkrankungen bei Verwandten ersten Grades und die Frage, wieviele Eltern und Geschwister eine Vorsorgeuntersuchung wahrgenommen hatten. Schließlich fragten die Mediziner nach, ob das Wissen um das erhöhte Risiko die Verwandten bewogen hatte, zur Vorsorge zu gehen.

44 Prozent der Patienten gaben an, dass sie über das erhöhte Darmkrebsrisiko für Verwandte ersten Grades Bescheid wussten. Erschreckend niedrig war die Anzahl der Koloskopien bei den Geschwistern der angeschriebenen Patienten. Bei den Geschwistern, die das Risiko kannten, nahmen 27 Prozent an der Vorsorgeuntersuchung teil, bei den nicht Aufgeklärten nur 20 Prozent. Bei Verwandten ersten Grades von Darmkrebspatienten, also Eltern, Geschwistern und Kindern, ist das Risiko einer Erkrankung um das Zwei- bis Dreifache erhöht. Eine weitere, drei- bis vierfache Risikosteigerung besteht, wenn die Erkrankung vor dem 60. Lebensjahr diagnostiziert wurde.

Derzeit wird Verwandten ersten Grades von Patienten mit kolorektalen Karzinomen eine Vorsorgeuntersuchung empfohlen, wenn sie ein Alter erreicht haben, das zehn Jahre vor dem Erkrankungsalter des betroffenen Patienten liegt.

Die Untersuchung erfolgte 2005 in Zusammenarbeit mit dem Tumorzentrum der MHH und der Tumornachsorgestelle der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen. Die Untersuchung wird in der August Ausgabe der Fachzeitschrift „Annals of Oncology“ veröffentlicht. Professor Greten wurde zudem für die Arbeit mit dem Felix Burda Award 2007 und dem Präventionspreis Innere Medizin der Deutschen Stiftung für Innere Medizin ausgezeichnet.

Weitere Informationen gibt Ihnen gern Professor Dr. Tim Greten, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie unter Telefon (0511) 532-8941.

Media Contact

Stefan Zorn idw

Weitere Informationen:

http://www.mh-hannover.de/

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