Wenn Angst die Schulzeit dominiert

Mit diesen Worten spitzte Professor Roland Stein vom Institut für Sonderpädagogik die nüchtern formulierte Thematik einer Tagung an der Uni Würzburg zu. Mehr als 300 Lehrer, Erzieherinnen und Mitarbeiter der Jugendhilfe beschäftigten sich zwei Tage lang in Vorträgen, Symposien und Workshops intensiv mit dem Forschungsstand und mit praktischen Reaktionsmöglichkeiten zum Thema „Verhaltensauffälligkeiten und Verhaltensstörungen“. Das Zentrum für Lehrerbildung der Universität hatte diese hoch aktuelle Problematik zusammen mit dem Schulbereich der Regierung von Unterfranken und der staatlichen Schulberatungsstelle aufgegriffen.

Die antisemitische Demütigung eines Schülers in Parey in Sachsen-Anhalt ist leider kein Einzelfall: „In der Schule geraten rund zehn Prozent der Kinder in eine Opferrolle, viele davon über Jahre hinweg.“ Darauf wies der Psychologe Peter Imhof aufgrund seiner Erfahrungen in der Erziehungsberatung hin. Schüler werden das Ziel von Ausgrenzung und Abwertung, werden seelisch und körperlich schikaniert von eher starken, anerkannten und selbstbewussten Kindern und deren Mitläufern. Die Opfer verbringen die Schulzeit in Angst mit dem Gefühl, anderen schutzlos ausgeliefert zu sein. Sie lernen, dass nicht einmal Erwachsene helfen können. Als Jugendliche und Erwachsene sind die Betroffenen dann anfälliger für Depressionen und Suizid.

„Schule und Gesellschaft haben die ethische Verpflichtung, Kindern eine angstfreie Schulzeit zu ermöglichen“, stellte Imhof klar. Rein statistisch sei 2005 jede zwölfte bayerische Schule von einer Gewalttat betroffen gewesen. „Die Androhung oder Anwendung von Gewalt in der Schule ist nicht nur ein Anschlag auf die Person, sondern auf die Integrität der Schule selbst.“ Das betonten der Schulpsychologe Herbert Kimmel und Bruno-Ludwig Hemmert von der staatlichen Schulberatungsstelle in Unterfranken.

Vorgestellt wurde hierzu eine Studie der Freiburger Universitätsklinik über die beruflichen Belastungen von Lehrkräften an Hauptschulen und Gymnasien. Innerhalb eines Jahres, so die Wissenschaftler, wurden 43 Prozent der Lehrkräfte das Ziel massiver verbaler Angriffe. Sieben Prozent erlebten Beschädigungen ihres persönlichen Eigentums. Über vier Prozent wurden mit körperlicher Gewalt bedroht, 1,4 Prozent waren davon direkt betroffen.

Andreas Dutschmann stellte ein Trainingsprogramm zur Aggressions- und Konfliktbewältigung vor. Sein Strategisches Konfliktmanagement (StraKoM) ist ein nach Bedarf erweiterungsfähiges System von Programmen zur Bewältigung von Konflikten und zur Reduktion von Wut. Bei der Entwicklung wurde Wert darauf gelegt, dass sowohl Laien als auch Fachleute davon profitieren können. Die Betreuer des Programms bekommen leicht handhabbare Modelle zur Konfliktanalyse an die Hand, aus denen sie Lösungsstrategien ableiten können. Effektivitätsstudien für StraKoM wurden an den Universitäten Leipzig und Wuppertal durchgeführt.

Bei der Tagung wurden noch weitere Themen behandelt – vom entwicklungspädagogischen Unterricht über ADHS bis hin zu den Problemen von Hochbegabten. Die vielfältigen Beiträge stehen voraussichtlich Ende Oktober auf der Homepage des Zentrums für Lehrerbildung zum Download zur Verfügung: www.zfl.uni-wuerzburg.de

Das Zentrum für Lehrerbildung (ZfL) ist eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Würzburg. Es hat die Aufgabe, die Aus- und Fortbildung von Lehrern sowie die Bildungsforschung weiter zu entwickeln. In den zahlreichen Lehramtsstudiengängen der Würzburger Uni bereiten sich circa 5.000 der insgesamt 20.000 Studierenden auf den Lehrerberuf vor.

Weitere Informationen: Birgit Hoyer, Leiterin der Geschäftsstelle des ZfL, T (0931) 888-4821, E-Mail b.hoyer@uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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