Verkörperte Intelligenz – das Zusammenspiel von Gehirn, Körper und Umgebung

Auf Initiative des Instituts werden sich führende Experten aus verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen über konzeptionelle und mathematische Grundlagen der sogenannten „verkörperten Intelligenz“ verständigen. Ziel der Wissenschaftler ist es, Gemeinsamkeiten in den formalen Zugängen der einzelnen Forschungsgebiete zu identifizieren und das theoretische Verständnis für intelligentes Verhalten weiterzuentwickeln.

Im Laufe der letzten drei Jahrzehnte hat die Intelligenzforschung einen Wandel erfahren, der zum aktuellen Forschungsgebiet der „verkörperten Intelligenz“ (embodied intelligence) geführt hat. Dieses Gebiet ist eng mit der Einsicht verknüpft, dass Intelligenz nicht nur eine Sache des Gehirns ist. Beobachtungen in der Natur belegen vielmehr, dass sich intelligentes Verhalten in erster Linie aus der Wechselwirkung zwischen Gehirn, Körper und Umgebung entfaltet.

Viele Beweise hierzu finden sich bei uns Menschen. Beispielsweise erfolgt die Rückschwungphase des Beines beim Laufen ohne jegliche Steuerung durch das Gehirn, sondern einzig durch das Zusammenspiel von Körper und Gravitationskraft. Das Muskel-Sehnen-Prinzip hilft bei der Stabilisierung der Körperposition, ohne dass das Gehirn zu jedem Zeitpunkt eingreifen muss. Die Relevanz dieses Grundgedankens des Zusammenspiels wird in der allgemeinen Intelligenzforschung zunehmend wahrgenommen.

Für den Initiator und Organisator, Forschungsgruppenleiter PD Dr. Nihat Ay, stellt die Konferenz in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Initiative dar. Das Institut erwartet an die 100 internationale Wissenschaftler verschiedenster Forschungseinrichtungen und Fachgebiete, welche sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit der Thematik befassen, unter ihnen Physiker, Biologen, Neurowissenschaftler, Philosophen, Neuroinformatiker und Mathematiker.

Erstmalig geht es hierbei primär um die Entwicklung einer mathematischen Grundlage zur Beschreibung der verkörperten Intelligenz und darauf aufbauend um die Identifikation der Kernfragen dieses Forschungsgebietes. Denn trotz dieser weitreichenden Einsichten können bislang nur rudimentäre Verhaltensweisen gut bzw. besser als zuvor beschrieben werden. Dazu gehört eine Vielzahl von Fortbewegungsabläufen bei Mensch und Tier, natürliche Augenbewegungen, sicheres Greifen von (zerbrechlichen) Objekten und weiteres mehr. Auf den ersten Blick mögen diese Verhaltensweisen sehr einfach erscheinen. Sie sind aber komplex genug, um sich noch immer gegen eine Umsetzung in künstlichen Systemen zu wehren, die mit ihren biologischen Originalen konkurrieren können.

Um den nächsten Sprung zum Verständnis von intelligentem Verhalten machen zu können, bedarf es eines vereinheitlichten formalen Zugangs zu den Kernfragen dieses Wissenschaftszweiges. Generelles Ziel des Max-Planck-Instituts für Mathematik in den Naturwissenschaften ist es, eben solche mathematische Zugänge zu wichtigen naturwissenschaftlichen Fragengestellungen zu finden. Die Forschungsgruppe „Informationstheorie kognitiver Systeme“ von Nihat Ay hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen mathematischen Zugang zum Verständnis kognitiver Prozesse zu entwickeln und entsprechende Lernprinzipien aufzudecken. Langfristig angestrebt ist die Entwicklung von Design-Prinzipien für künstliche Systeme, die sich selbstständig in natürlichen und möglicherweise auch unbekannten Umgebungen zurechtfinden. So untersuchen die Wissenschaftler in der Forschungsgruppe von Nihat Ay beispielsweise Lernprozesse verkörperter künstlicher Systeme und deren Verhaltensentfaltung, die sowohl ihre Morphologie als auch die Umgebungsbedingungen widerspiegelt. Die entwickelten Methoden basieren auf der Mathematik der Informationstheorie und der Informationsgeometrie, beides Gebiete, die ebenfalls in der Forschungsgruppe vorangetrieben werden.

Es ist daher kein Zufall, dass die erste Konferenz zum Thema „Konzeptionelle und mathematische Grundlagen der verkörperten Intelligenz“ in Leipzig stattfindet. Die Konferenz wurde mit zwei Zielen initiiert. Das erste Ziel ist herauszufinden, mit welchem mathematischen Zugang man eine gemeinsame Sprache für die verschiedenen Fachrichtungen finden kann. Das zweite Ziel ist die Identifikation der Kernfragen der verkörperten Intelligenz: Womit sollte sich die Fachrichtung in den nächsten Jahren beschäftigen, damit die Forschung den nächsten Schritt machen kann?

Mitorganisatoren der Konferenz sind Prof. Dr. Ralf Der, Dr. Keyan Ghazi-Zahedi und Dr. Georg Martius. Die Konferenz wird durch das EU-Netzwerk „EUCog – European Network for the Advancement of Artificial Cognitive Systems, Interaction and Robotics” und das DFG Schwerpunktprogramm 1527 „Autonomes Lernen“ gefördert.

Kontakt:

PD Dr. Nihat Ay
Forschungsgruppenleiter „Informationstheorie kognitiver Systeme“
Tel. 0341 – 9959 547
Mail: nay@mis.mpg.de
Jana Gregor
Pressereferentin
Tel. 0341 – 9959 650 oder 0170 2228049
Mail: jgregor@mis.mpg.de
Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften
Inselstraße 22
04103 Leipzig

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Jana Gregor Max-Planck-Institut

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