Neue Therapien gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

In Deutschland leiden etwa 300.000 Menschen an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. Dr. Matthias Lochner erforscht die Ursachen dieser Autoimmunerkrankung am TWINCORE und wird darin in den nächsten zwei Jahren von der Novartis-Stiftung in Nürnberg unterstützt: 100.000 Euro stellt die Stiftung für die Entwicklung neuer Therapien zur Verfügung, denn, „es handelt sich beim Morbus Crohn und der Colitis Ulcerosa keineswegs um Bagatellerkrankungen“, sagt Dr. Andreas Kreiß, Geschäftsführer der Stiftung.

Meist sind die Patienten noch jung und durch die Krankheit schwer beeinträchtigt. Lange Krankenzeiten, Arbeitslosigkeit, frühe Rente und ein stark erhöhtes Darmkrebsrisiko begleiten die Menschen. In Wellen durchleiden die Patienten starke Bauchschmerzen und blutige Durchfälle, die ihr eigenes – fehlgeleitetes – Immunsystem auslöst. Ursächlich heilbar sind die Darmentzündungen bislang nicht – unabhängig davon ob es sich um einen schweren oder nur leichten Verlauf handelt.

Matthias Lochner erforscht die Auslöser dieser Krankheit, indem er die Steuerungsmechanismen des Darms analysiert. In einem gesunden Körper führt der Darm ein strenges Regime: Da er von Milliarden nützlicher Bakterien besiedelt ist, herrscht dort ein empfindliches Gleichgewicht aus Toleranz für hilfreiche und Abwehr für gefährliche Bakterien, das bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen aus der Balance gerät. „Wir konzentrieren uns bei unseren Untersuchungen auf eine bestimmte Sorte Immunzellen, die T-Helferzellen“, sagt Matthias Lochner. „Die pro-entzündlichen Th17-Helferzellen und die dämpfenden regulatorischen T-Helferzellen, kurz Tregs, sollten sich gegenseitig begrenzen und den Darm so gesund halten.“ Aus bislang unbekannten Gründen kippt dieses Gleichgewicht bei Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa: in entzündetem Darmgewebe finden die hannoverschen Wissenschaftler eine Flut von Th17-Zellen, jedoch kaum Tregs.

Gesucht: Wirkstoffe, die dieses Missverhältnis wieder gerade rücken. „Wir setzen derzeit auf kleine synthetische Moleküle“, sagt Matthias Lochner. „Ein Verwandter der Retinsäure, die unser Körper aus Vitamin A erzeugt, ist ein solches Molekül: AM80.“ Und erste Experimente mit der Substanz verschieben die T-Zell-Verhältnisse im entzündeten Darm und führen zu Entspannung. Allerdings haben die TWINCORE-Wissenschaftler bei ihren Untersuchungen einen zellulären Pferdefuß entdeckt: Sie haben T-Zellen gefunden, die sowohl Merkmale der entzündungsfördernden Th17-Zellen tragen als auch der entzündungshemmenden Tregs.

„Wir sehen diese Zwitter-Zellen vor allem im entzündeten Darmgewebe“, sagt Matthias Lochner. „Ohne das Verhalten dieser Zellen genauer zu kennen, können wir unsere Therapieansätze nicht weiter verfolgen. Die Folgen bei Therapieversuchen wären nicht abzusehen.“ Und um genau diese Zwitter-Zellen näher erforschen zu können, erhält der Wissenschaftler zwei Jahre lang die Unterstützung der Novartis-Stiftung. Damit der Weg zu neuen Therapien gegen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen weiter verfolgt werden kann.

Media Contact

Dr. Jo Schilling idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Förderungen Preise

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer