Zweidimensionales Lernen: Computerbilder verändern Nervenzellverbindungen nachhaltig
Das Betrachten zweidimensionaler Raumbilder, wie sie etwa in Computerspielen auftreten, beeinflusst die Verbindungsstärken von Nervenzellen im Gehirn nachhaltig. Das berichten Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan und Anne Kemp aus der RUB-Abteilung für Neurophysiologie in Cerebral Cortex.
In einer Hirnstruktur, die eine wichtige Rolle für das Langzeitgedächtnis spielt (Hippocampus), beobachteten sie eine Veränderung in der Kommunikation der Nervenzellen, wenn sie Ratten neue Umgebungen auf einem Computerbildschirm präsentierten. Somit zeigten die Forscherinnen zum ersten Mal, dass eine aktive Erkundung der Umgebung für diesen Effekt nicht erforderlich ist.
„Unsere Ergebnisse helfen zu verstehen, in welchem Ausmaß das digitale Lernen im Gehirn mit dem Lernen in der realen Umwelt konkurriert“, so Manahan-Vaughan. „Das ist zum Beispiel interessant, um neue Strategien für die Nutzung digitaler Medien in der Schule zu entwickeln. Solche Strategien können nützlich sein, wenn Kinder wenig Interesse an herkömmlichen Lehrmethoden zeigen.“
Zwei unterschiedliche Lernmechanismen im Gehirn
Im Hippocampus arbeiten zwei unterschiedliche Mechanismen zusammen, um neue Informationen für lange Zeit zu speichern. Die so genannte Langzeitpotenzierung führt dazu, dass Nervenzellen vermehrt miteinander kommunizieren. Die Langzeitdepression hingegen schwächt die Verbindungen zwischen den Zellen. „Laut unseren Ergebnissen reagieren Nervenzellgruppen zunächst mit einer Potenzierung, z. B. wenn wir einen neuen Raum betreten“, erläutert Manahan-Vaughan. „Die Langzeitdepression ermöglicht es uns dann, diese neue zelluläre Information zu modifizieren, um die Details und Eigenschaften des Raums zu speichern.“
Lernen ohne Bewegung
Das Bochumer Team zeigte, dass in einem bestimmten Bereich des Hippocampus Langzeitdepression einsetzt, wenn Ratten aktiv einen Raum erkunden. „Wir konnten jedoch nicht sagen, ob die Veränderungen in den Nervenzellen durch die Bewegung beinflusst werden oder nur aufgrund des Erlernens neuer Objekte auftreten“, erklärt Manahan-Vaughan. Die Forscherinnen trennten erstmals beide Effekte, indem sie den räumlichen Kontext am Computerbildschirm präsentierten und somit keine aktive Erkundung erforderlich war, um mit den neuen Objekten in Kontakt zu kommen. Auch ohne aktive Erkundung trat die Langzeitdepression auf, d.h. sie scheint wichtig für das passive Lernen im Hippocampus zu sein.
Computer und Fernsehen konkurrieren mit der Schule
„Lehrer, vor allem in der Grundschule, beobachten immer häufiger, dass die neuen Generationen von Schulkindern oft eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne und ein schlechteres Merkvermögen haben“, erzählt Manahan-Vaughan. „Eine mögliche Erklärung dafür ist die zunehmende Nutzung digitaler Medien nach der Schule. Unsere Ergebnisse zeigen in der Tat, dass Säugetiere genauso gut lernen, wenn sie Informationen passiv auf einem Computerbildschirm präsentiert bekommen, wie wenn sie für diese Informationen aktiv ihre Umgebung erkunden. Fernsehen oder Computerspielen nach der Schule könnten mit der in der Schule gelernten Information konkurrieren.“
Weitere Informationen
Prof. Dr. Denise Manahan-Vaughan, Abteilung für Neurophysiologie, Research Department of Neuroscience, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel.: 0234/32-22042, Denise.Manahan-Vaughan@rub.de
Titelaufnahme
A. Kemp, D. Manahan-Vaughan (2011). Passive Spatial Perception Facilitates the Expression of Persistent Hippocampal Long-Term Depression, Cerebral Cortex, doi:10.1093/cercor/bhr233
Redaktion: Dr. Julia Weiler
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Weitere Informationen:
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