DFG richtet neun weitere Sonderforschungsbereiche ein
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zum 1. Juli 2009 neun weitere Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss jetzt der zuständige Bewilligungsausschuss der DFG auf seiner Frühjahrssitzung in Bonn. Die neuen SFB werden mit insgesamt 73,6 Millionen Euro für zunächst vier Jahre gefördert. Hinzu kommt eine jeweils 20-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten, die sich aus den Forschungsprojekten ergeben.
Forschungsthemen der neu bewilligten SFB sind unter anderem die Entwicklung wirkungsvollerer Krebstherapien durch bessere Bildgebungsverfahren, die Ausbreitung des modernen Menschen von Afrika nach West-Eurasien und die Erforschung neuer Statistikmodelle, die komplexe Technikprozesse besser modellieren, prognostizieren und steuern können. Weitere Inhalte sind Untersuchungen von Transzendenz und Gemeinsinn in der Gesellschaft und die genauere Erforschung des Mikromilieus von Tumoren. Bei zwei der neun neuen Verbünde handelt es sich um SFB/Transregio, die sich auf mehrere Forschungsstandorte verteilen.
Zusätzlich zu diesen Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss auch für die Verlängerung von 31 SFB für jeweils eine weitere Förderperiode. Die DFG fördert damit ab Juli 2009 insgesamt 243 Sonderforschungsbereiche.
Die neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen:
Die Entwicklung verbesserter Mesotechnologie, dem Bindeglied zwischen der makroskopischen Welt und der Nanotechnologie, ist das Ziel des SFB 840 „Von partikulären Nanosystemen zur Mesotechnologie“. Dazu wollen Forscherinnen und Forscher Nanostrukturen anwendungsorientiert, zuverlässig und problemlos reproduzierbar zusammenzusetzen und so neuartig funktionelle mesoskopische Systeme aufbauen. Durch geschickte Kombination maßgeschneiderter makromolekularer Stoffe mit anorganischen Funktionseinheiten sollen neue Systeme erzeugt werden, die für technologische Anwendungen wie zum Beispiel in der Katalyse und Photovoltaik, als schaltbare optische Bandlückenmaterialien oder als mechanisch stabile Leichtbaumaterialien Verwendung finden können. (Sprecherhochschule: Universität Bayreuth; Sprecher: Professor Matthias Ballauff)
Wie lassen sich komplexe Prozesse in Wirtschaft und Technik geeignet und den jeweiligen Sachproblemen angemessen statistisch modellieren, prognostizieren und steuern? Dies will der SFB 823 „Statistik nichtlinearer dynamischer Prozesse“ erforschen. Im Fokus der Forschung stehen zeitvariable dynamische Prozesse in den Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften. Dabei beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Zeitskalen unterschiedlichster Auflösung – von Millisekundenskalen in der Blechumformung über den benötigten Minutentakt in der Audiosignalverarbeitung bis hin zu Zeithorizonten von mehreren Jahren in der dynamischen Modellierung von ökonomischen Marktstrukturen. Erstmalig sollen dynamische statistische Modelle durch nichtstationäre Dynamik erweitert werden. Mit innovativen Ansätzen will der SFB somit neue abstrakte Methoden wie auch Lösungen praktischer Anwendungsprobleme entwickeln.
(Sprecherhochschule: Technische Universität Dortmund; Sprecher: Professor Walter Krämer; außerdem beteiligt: Ruhr-Universität Bochum sowie Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung, Essen; Université Libre de Bruxelles, Belgien; European Center for Advanced Research in Economics and Statistics, Belgien)
Vor dem Hintergrund aktueller innen- und außenpolitischer Debatten haben sich die Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften in den letzten Jahren wieder verstärkt der Religionsthematik zugewandt. Der neu eingerichtete SFB 804 „Transzendenz und Gemeinsinn“ versteht dabei den Begriff Transzendenz auch über seine religiöse Bedeutung hinaus. Forscherinnen und Forscher wollen dabei die analytischen Kategorien von „Transzendenz“ und „Gemeinsinn“ in Diskurs und Praxis konzeptuell auf neuartige Weise verbinden und ihre gesellschaftliche Wahrnehmung und Auswirkungen untersuchen. Auf diese Weise versuchen sie, eine neue Perspektive zur Klärung der Grundfrage nach den Voraussetzungen, Bedingungen und Ressourcen für die Konstituierung und Stabilität von sozialen und politischen Ordnungen zu gewinnen. (Sprecherhochschule: Technische Universität Dresden; Sprecher: Professor Hans Vorländer; außerdem beteiligt: Università di Torino, Italien; Università degli Studi della Basilicata, Italien; Universität Zürich, Schweiz)
Noch immer gibt es kein Heilmittel gegen HIV oder den Hepatitis B- und C-Virus. Ein besseres Verständnis des Übergangs von akuter Infektion zur chronischen Krankheit dieser drei Viruserkrankungen steht daher im Mittelpunkt des international aufgestellten SFB/Transregio 60 „Interaktion von Viren mit Zellen des Immunsystems bei persistierenden Virusinfektionen: Grundlagen für Immuntherapie und Impfungen“. Deutsche und chinesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen gemeinsam die Interaktion von persistenten Viren und körpereigenen Zellen in sowohl angeborenen als auch adoptiven Immunreaktionen untersuchen. Damit soll erforscht werden, wie es Viren gelingt, den Abwehrmechanismen des Körpers zu entkommen. So wollen sie Grundlagen für neue virusspezifische Immuntherapien und Schutzimpfungen entwickeln, die die Persistenz von Viren reduzieren. (Sprecherhochschule: Universität Duisburg-Essen; Sprecher: Professor Michael Roggendorf; außerdem beteiligt: Ruhr-Universität Bochum sowie Chinese Academy of Science, China; Huazhong Agricultural University, China; Huazhong University of Science and Technology, China; Wuhan University, China; Fudan University, China)
Der SFB 806 „Unser Weg nach Europa: Kultur-Umwelt-Interaktion und menschliche Mobilität im Späten Quartär“ beschäftigt sich mit der Mobilität von Populationen in den letzten 190 000 Jahren. Im Mittelpunkt der Forschung steht die Ausbreitung des modernen Menschen von Afrika nach West-Eurasien und im Besonderen nach Europa. Populationsdynamische Ausbreitungsprozesse stellen mit ihrem Austausch von Ideen, Techniken und kulturellem Verhalten dabei eine wichtige Voraussetzung für bedeutende Entwicklungsereignisse dar. Ziel ist es, mit geowissenschaftlichen und archäologischen Methoden zu erforschen, inwiefern menschliches Handeln, das Klima und die Umwelt bedeutende Populationsbewegungen mitbestimmt haben. Dabei soll insbesondere untersucht werden, welche Auswirkungen diese Faktoren auf Aktionen und Reaktionen von Populationen wie Auswanderung, Einwanderung und das Hineinwachsen in eine kulturelle Umwelt hatten. (Sprecherhochschule: Universität zu Köln; Sprecher: Professor Jürgen Richter; außerdem beteiligt: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen; Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; Universität Duisburg-Essen sowie Landschaftsverband Rheinland; Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege, Bonn; Neanderthal Museum, Mettmann)
Im Gegensatz zu dem verbreiteten Wissen über diejenigen genetischen Vorgänge, die zur Immortalisierung und Veränderung von Krebszellen führen, werfen die genauen molekularen Vorgänge, durch die das Tumormikromilieu geformt wird, immer noch viele Fragen auf. Der SFB 832 „Molekulare Basis und Modulation der zellulären Interaktionen im Tumormikromilieu“ will daher Schlüsselmechanismen aufklären, die das molekulare wechselseitige Aufeinanderwirken von Krebszellen und ihrem Mikromilieu bestimmen. Im Vordergrund steht dabei die Erforschung molekularer Veränderungen in der Architektur, Differenzierung und Beweglichkeit der Zellen im Tumorgewebe sowie die immunologische Zusammensetzung des Milieus eines klinisch sichtbaren Tumors. Neben diesen für die Medizin bedeutenden Forschungsfragen will der SFB langfristig neue Zielstrukturen aufklären, die sich zur Entwicklung neuer therapeutischer oder diagnostischer Verfahren eignen. (Sprecherhochschule: Universität zu Köln; Sprecher: Professor Michael Hallek; außerdem beteiligt: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn sowie Max-Planck-Institut für neurologische Forschung, Köln)
Das Einheilungsverhalten und die Langzeitstabilität von Implantaten und Transplantaten verbessern – das will der SFB/Transregio 67 „Funktionelle Biomaterialien zur Steuerung von Heilungsprozessen in Knochen- und Hautgewebe – vom Material zur Klinik“. Dazu wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der Basis artifizieller extrazellulärer Matrizen neuartige, funktionelle Biomaterialien mit gezielt einstellbaren Eigenschaften entwickeln. Dies soll eine schnelle Heilung ermöglichen – individuell für Anwendungen im Haut- und Knochenbereich und angepasst an die Situation systemisch gesunder sowie unter mehreren Krankheiten leidender Patienten. Die entwickelten Biomaterialien sollen dabei selbstorganisierend in Heilungsprozesse eingreifen können. (Sprecherhochschule: Universität Leipzig; Sprecher: Professor Jan Christoph Simon; außerdem beteiligt: Technische Universität Dresden sowie Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leipzig; INNOVENT Technologieentwicklung, Jena; Leibniz-Institut für Polymerforschung, Dresden)
Der SFB 824 „Bildgebung zur Selektion, Überwachung und Individualisierung der Krebstherapie“ hat zum Ziel, die Erfolge von Krebstherapien mithilfe der Bildgebung zu verbessern. Forscherinnen und Forscher wollen neue Methoden molekularer Bildgebung entwickeln, mit denen man den Erfolg einer Therapie besser voraussagen und die Resultate einer Therapie objektiv und quantitativ erfassen kann. Durch die Forschung soll es möglich werden, nicht nur Tumorgewebe frühzeitig zu erkennen, sondern auch die Effekte einer Therapie anhand biologischer Signale objektiv zu erfassen. Neben Stoffwechselvorgängen im Tumorgewebe werden dabei auch andere zellbiologische Vorgänge wie Proliferation, Gefäßneubildung und Substrattransport adressiert. Darüber hinaus wird die Darstellung von zellbiologischen Signalen benutzt, um die Aggressivität eines Tumors beurteilen zu können. Tracer- und optische Methoden helfen schließlich zur Übertragung der molekularen Bildgebung vom Tierexperiment auf die klinische Situation. (Sprecherhochschule: Technische Universität München; Sprecher: Professor Markus Schwaiger; außerdem beteiligt: Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Helmholtz Zentrum München/Oberschleißheim; Bundesamt für Strahlenschutz, Neuherberg)
Wie entsteht sprachliche Bedeutung? Mit dieser Frage beschäftigt sich der SFB 833 „Bedeutungskonstitution – Dynamik und Adaptivität sprachlicher Strukturen“. Die These, dass Bedeutung sprachlicher Ausdrücke grundsätzlich zeitabhängig ist, wollen Forscherinnen und Forscher der Sprach- und Kognitionswissenschaft dabei um einen innovativen Aspekt erweitern. Denn bislang kaum berücksichtigt wurde die Zeitgebundenheit bei der Komposition komplexer Bedeutung. Ziel ist es daher, die Bedeutungsentstehung bei komplexen sprachlichen Strukturen auf der Basis von Wortbedeutung, syntaktischer Struktur und Kontextinformation um eine zeitliche Dimension zu ergänzen. So will es der sprachwissenschaftliche SFB möglich machen, Bedeutung im Prozess ihres Entstehens zu erfassen. (Sprecherhochschule: Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Sprecherin: Professor Sigrid Beck)
Weiterführende Informationen
Weitere Informationen erteilen die Sprecher der Sonderforschungsbereiche.
Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Klaus Wehrberger, Leiter der Gruppe Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren, Exzellenzcluster, Tel. +49 228 885-2355, Klaus.Wehrberger@dfg.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.dfg.de/sfbAlle Nachrichten aus der Kategorie: Bildung Wissenschaft
Neueste Beiträge
Brückenbau der Zukunft
Ein Team des Fachbereichs Konstruktiver Ingenieurbau an der HTWD erforscht modulare Fertigteilsysteme, um Brücken schneller, kostengünstiger und nachhaltiger zu errichten. Zahlreiche Brückenbauwerke in ganz Deutschland sind derzeit in einem schlechten…
Intelligente Kamerasysteme
HKA-Forschungskooperation mit Mercedes-Benz für autonomes Fahren der nächsten Generation. Im Mittelpunkt steht die Weiterentwicklung der komplexen Kameratechnologien im Neuromorphic Computing. Über die Kooperation im Projekt EVSC (Event Vision Stream Compression)…
Digitaler Zwilling zeigt den Wald in 100 Jahren
Modell berechnet große Waldflächen bis auf den Einzelbaum genau. Der Wald der Zukunft wird mit anderen Bedingungen zurechtkommen müssen als der von heute. Deshalb ist es laut Forschenden der Technischen…