Langsam aus dem Konjunkturtief

Auch im vergangenen halben Jahr ist es Deutschland nicht gelungen, aus seiner wirtschaftlichen Schwäche herauszufinden. Während der Export mit schwacher Weltwirtschaft und Euro-Aufwertung zu kämpfen hatte, wurde die Binnennachfrage durch weiter gesunkene Bauinvestitionen und einen nur mäßig ausgeweiteten privaten Verbrauch belastet. Mit einer Erholung der deutschen Wirtschaft ist erst im Verlauf des nächsten Jahres zu rechnen.

Die internationale Konjunktur

zeigt bislang keine Anzeichen einer Erholung. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass sich die Weltwirtschaft – unter anderem wegen sich erholender Aktienmärkte und steigender IT-Investitionen – im weiteren Verlauf dieses Jahres sowie im kommenden Jahr belebt. Die Erholung dürfte jedoch weniger kräftig als in früheren Zeiten ausfallen. In den Vereinigten Staaten ist die Konjunktur noch immer kraftlos. Seit dem Ende des Aufschwungs im März 2001 ist die Wirtschaft von einer unsteten, im Grundsatz aufwärts gerichteten Entwicklung geprägt. Die bisherigen Stützen der Nachfrage, privater Konsum und Staatsverbrauch, haben sich verlangsamt. Geld- und Finanzpolitik befinden sich auf expansivem Kurs, ihre Impulse treffen allerdings auf eine recht schwache Konstitution der Wirtschaft. Dies dürfte zu einem anhaltend unsteten Konjunkturverlauf führen. Die Wirtschaft im Euro-Raum steckt weiterhin in einer hartnäckigen Schwäche, die Expansion wird durch eine schwache Inlandsnachfrage und schwache Exporte gedämpft. Daran ändert auch die expansiv wirkende Finanz- und Geldpolitik vorerst nichts. Auf längere Sicht dürfte sich die Konjunktur zwar bessern, allerdings wirken die verschuldeten öffentlichen Haushalte weiterhin belastend. In Japan ist eine deutliche Erholung der Wirtschaft nicht zu erwarten, die Deflation dürfte sich erst im kommenden Jahr abschwächen. Impulse hierzu gibt die Geldpolitik mit der Sanierung des Bankensektors. Der Spielraum für fiskalische Impulse dürfte wegen der hohen öffentlichen Verschuldung (etwa 150% des BIP) hingegen gering bleiben.

Die Prognoserisiken sind nach wie vor hoch. So bleibt das twin deficit in den USA (Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizit) bestehen. Das Risiko der weiteren Aufwertung des Euro ist damit ebenso wenig gebannt wie die Gefahr rasch anziehender langfristiger Zinsen. Dadurch ist der Aufschwung in Europa bedroht, weil die Konjunktur im Euro-Raum nach wie vor ohne eigene Dynamik ist. Hinzu kommt die hohe Verschuldung der privaten Haushalte, die durch fallende Immobilienpreise noch verschärft werden könnte. Zunehmend zum Problem wird auch die lange Dauer der Schwächephase. Sollten sich die pessimistischen Erwartungen bereits verfestigt haben, könnte die Erholung noch länger dauern als bisher angenommen.

Deutschland ist in der ersten Hälfte dieses Jahres in eine leichte Rezession geraten. Damit setzte sich die seit drei Jahren anhaltende Stagnation fort. Kernproblem bleibt die schwache Binnennachfrage; die Bauinvestitionen gingen im ersten Halbjahr nochmals kräftig zurück, und die Ende 2002 beobachtete Belebung der Ausrüstungsinvestitionen schwächte sich wieder ab. Da sich die Weltwirtschaft nur zögerlich erholt und der Euro gegenüber dem Dollar deutlich aufgewertet hat, neigt nun auch der Export zur Schwäche. Die Rezession dürfte in diesem Jahr allmählich überwunden werden und die Konjunktur 2004 wieder anziehen. Die Exporte werden – bedingt durch eine verbesserte internationale Konjunktur, die nachlassende Wirkung der Euro-Aufwertung und günstigere Lohnstückkosten – voraussichtlich erst im Verlauf des kommenden Jahres steigen. Auch der private Verbrauch wird sich erst 2004 kräftigen. Die verfügbaren Einkommen werden sich dann durch die zweite und dritte Stufe der Einkommensteuerreform erhöhen, andererseits werden aber höhere Sozialabgaben, der Abbau von Steuervergünstigungen und Einschnitte bei den Transfers den privaten Verbrauch belasten. Das BIP wird nach unseren Berechnungen im Durchschnitt dieses Jahres um 0,2% sinken und im kommenden um 1,8% steigen.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert sich noch bis in das erste Quartal 2004 hinein. Im Jahresdurchschnitt 2003 liegt die Arbeitslosenquote bei 10,5% und verharrt 2004 voraussichtlich auf diesem Niveau. Die Reformen auf dem Arbeitsmarkt zeigen naturgemäß bisher nur bescheidene Wirkungen. Viele der Instrumente befinden sich noch in der Einführungsphase, zudem werden sie bisher, zum Teil konjunkturell bedingt, nur unzureichend genutzt. Ob die Instrumente überhaupt maßgeblich zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen, wird erst eine umfassende Evaluierung der Maßnahmen zeigen.

Die Wirtschaftspolitik

steht vor der schwierigen Aufgabe, einerseits weitere Strukturreformen (u.a. Rentenversicherung, Gesundheitswesen, Arbeitsmarkt) umsetzen zu müssen. Andererseits muss sie von ihrem restriktiven Kurs abrücken, um die Inlandsnachfrage nicht noch mehr zu schwächen. Das geplante Vorziehen der dritten Stufe der Einkommensteuerreform könnte in dieser Situation wesentlich zur Stabilisierung der Nachfrage beitragen. Der flache Wachstumspfad kann allerdings nur verlassen werden, wenn gleichzeitig die Angebotsbedingungen verbessert werden. Die finanzpolitischen Planungen der Bundesregierung zielen im Grundsatz in die richtige Richtung. Durch das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform erhalten konjunkturelle Erfordernisse einen höheren Stellenwert, die Finanzpolitik ist nicht mehr einseitig auf Konsolidierung ausgerichtet. Die Lohnpolitik ist in diesem Jahr auf einen beschäftigungsorientierteren Kurs zurückgekehrt. Die Geldpolitik der EZB ist auf einen deutlich expansiven Kurs eingeschwenkt und scheint bereit für weitere Zinsschritte. Die verbesserten monetären Rahmenbedingungen dürften allmählich greifen. Dabei ist trotz rückläufiger Inflationsraten die Gefahr einer Deflation als gering einzuschätzen.

Ansprechpartner: Dr. Roland Döhrn, Tel. 0201 – 8149-262

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