Rentenmarkt: Temporäre Klimaerwärmung
Kurz vor dem beginnenden Wonnemonat Mai hat sich das Klima an den internationalen Bondmärkten etwas erwärmt. Die Renditen der als Benchmark fungierenden 10jährigen deutschen Bundesanleihe wie auch der entsprechenden US-Treasury gingen seit Anfang April um 3 bzw. 14 Stellen auf 5,11 bzw. 5,10 Prozent zurück. Damit hat sich – wenn auch nur geringfügig – der Zinsvorsprung erstmals seit Februar wieder nach Europa verlagert. Generell orientierten sich die Rentenmarktakteure bei nervösem Grundton primär am Geschehen auf der Aktienseite, womit die Entwicklung bei den Festverzinslichen vielfach der von kommunizierenden Röhren ähnelte: sinkende Aktiennotierungen führten zu steigenden Bondkursen und umgekehrt.
Zuletzt profitierten die Zinstitel dabei nicht nur vom „sicheren Hafenmythos“ angesichts der Nahostkrise, sondern auch von einer aufkommenden Skepsis gegenüber der Konjunktur- und Unternehmensentwicklung. Zwar vermochte eine Reihe von repräsentativen amerikanischen Wirtschaftsdaten wie u. a. die gestiegene US-Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung vom März die Erwartungen zu erfüllen. Andererseits aber erhöhten sich die wichtigen Einzelhandelsumsätze nur um moderate 0,2 Prozent gegenüber Februar (nach plus 0,3 Prozent im Vormonat), und auch der Verbrauchervertrauensindex der Uni Michigan schwächte sich im März auf 94,4 (95,7) Punkte ab. Der jüngste Wirtschaftsbericht der Fed, das viel beachtete „Beige Book“, schlägt zwar grundsätzlich positive Konjunkturtöne an, betont aber gleichzeitig den bisher nicht vorhandenen Preisdruck. Die Konsumententeuerung stieg im März in der Kernrate nur um 0,1 nach plus 0,3 Prozent. Mit dem Hinweis von Fed-Chef Alan Greenspan auf die nach wie vor bestehenden Risiken des Aufschwungs dürften die aufgekommenen Zinsängste erst einmal vom Tisch sein. Geldpolitische Maßnahmen erwartet die Mehrheit der Marktauguren jetzt nicht mehr vor Spätsommer bzw. Herbst.
In Euroland zeigen sich die Aufschwungstendenzen bislang äußerst moderat, an der Preisfront herrscht allerdings eine gewisse Unsicherheit. Wenn sich auch in Deutschland die Jahresteuerung nach vorläufigen Zahlen im April leicht auf 1,6 nach 1,8 Prozent zurückgebildet hat, so musste in der Eurozone aber noch im März ein Anstieg auf 2,5 (2,4) Prozent hingenommen werden. Die EZB hatte erst dieser Tage in ihrem Jahresbericht Erwartungen hinsichtlich einer raschen Entspannung im Hinblick auf einen möglichen weiteren Ölpreisanstieg gedämpft. Das für die EZB-Geldpolitik wichtige Geldmengenwachstum M3 in der Eurozone ist dagegen im März mit einer Jahresrate von plus 7,3 nach 7,4 Prozent erneut zurückgegangen – wenn auch weniger deutlich als erwartet.
Als Hauptrisiken für eine Notenbankpolitik der ruhigen Hand sind derzeit die Unwägbarkeiten der Tarifauseinandersetzungen zu nennen. Zu hohe Lohnabschlüsse könnten die EZB vorzeitig aus ihrer zinspolitischen Reserve locken. Per saldo sollten sich Rentenanleger mit Blick auf die allseits prognostizierte Konjunkturerholung auf einen Renditeanstieg ab Sommer einstellen und derzeit Engagements nur vorsichtig im kürzeren bis mittleren Laufzeitenbereich eingehen.
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