Internationale Konjunktur: Mit vermindertem Tempo weiter aufwärts
Die Expansion der Weltwirtschaft verliert in diesem Jahr an Tempo, bleibt gleichwohl deutlich aufwärts gerichtet. Im Jahresdurchschnitt wird das BIP der Industrieländer um 2,3 vH zunehmen, nach 4,3 vH im abgelaufenen Jahr. Die Länder der EWU übernehmen die Führung, besitzen allerdings als Konjunkturlokomotive nicht die Zugkraft, die die Vereinigten Staaten zuletzt auszeichnete.
Die amerikanische Wirtschaft wird fürs erste nur verhalten wachsen, die gegenwärtige Schwäche wird aber im weiteren Verlauf dieses Jahres allmählich überwunden. Im Durchschnitt dieses Jahres wächst das BIP lediglich mit 2,0 vH – der niedrigsten Rate seit 1991. Allerdings hat zum einen die Geldpolitik bereits reagiert und die Notenbankzinsen um 1 %-Punkt gesenkt. Zum anderen will die neue Administration einen Teil der beträchtlichen Haushaltsüberschüsse für Steuersenkungen verwenden, wodurch das Wachstum gestärkt wird. Im nächsten Jahr wird es daher wieder 2,7 vH erreichen.
In der EWU wird sich das Wachstum gegenüber dem zweiten Halbjahr 2000, in dem es aufgrund des höheren Ölpreises etwas schwächer ausfiel, festigen. Dies ist vor allem umfangreichen Steuersenkungen in fast allen Ländern des Euro-Raumes zu danken. Die Ausfuhren werden allerdings wegen der schwächeren Weltkonjunktur und der Abwertung des Dollar verhaltener zunehmen. Im Jahresdurchschnitt ist die Zuwachsrate des BIP 2001 mit 3,1 vH etwas niedriger als im Vorjahr (3,4 vH), und sie wird 2002 weiter sinken, aber nur wenig (2,9 vH). Die Inflation verlangsamt sich von 2,2 vH in diesem Jahr auf 1,8 vH im nächsten. Der Abbau der Arbeitslosigkeit setzt sich verlangsamt fort.
Ungeachtet der mit Blick auf die jüngste Abschwächung der amerikanischen Wirtschaft eingeleiteten geldpolitischen Reaktionen und der ins Auge gefassten fiskalpolischen Maßnahmen stellt die Entwicklung in den Vereinigten Staaten ein beachtliches Risiko für die Prognose dar. Anlass zur Sorge bereiten insbesondere die dort unverändert hohen Ungleichgewichte – die immer noch wachsenden Defizite in der Leistungsbilanz und die negative Sparquote -, die früher oder später in jedem Fall korrigiert werden müssen. Zudem haben sich aufgrund der fallenden Aktienkurse insbesondere bei Technologiewerten die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen verschlechtert, mit entsprechenden Folgen für die Investitionstätigkeit. Insofern besteht trotz der inzwischen deutlich expansiv ausgerichteten Wirtschaftspolitik die Gefahr eines stärkeren Einbruchs, als von uns prognostiziert. Die übrigen Industrieländer würden davon vor allem durch geringere Exporte betroffen, während über den Zins- und Preiszusammenhang – anders als bei früheren amerikanischen Rezessionen – eher expansive Kräfte wirken. Selbst ein „Null-Wachstum“ in den USA in diesem Jahr würde die BIP-Zunahme in der EWU nur um etwa 0,4 vH-Punkte drücken. Die Folgen wären also moderat – jedenfalls so lange es nicht zu krisenhaften Erscheinungen auf den Finanzmärkten kommt und der Dollar nicht drastisch gegenüber dem Euro abwertet.
(aus: RWI-Konjunkturberichte 2/2000)
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