Lässt sich Geschmack täuschen?

Konsumenten lassen sich nicht durch gezielte Informationen während der Verkostung verunsichern. Das geht aus einer aktuellen Studie von Wissenschaftlern aus Göttingen, Bonn und Schmallenberg hervor.

Die Wissenschaftler haben getestet, inwiefern eine Kennzeichnung als „Jungeberfleisch“ zu einer schlechteren Bewertung des Essens führt. Sie servierten dazu insgesamt 145 Probanden nacheinander jeweils 4 Stücke vom Kotelett, die streng standardisiert zubereitet wurden. Das Fleisch stammte sowohl von Ebern als auch von kastrierten oder weiblichen Tieren und wurde jeweils mit der Kennzeichnung „Jungeberfleisch“ oder „Schweinefleisch“ versehen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Meat Science erschienen.

Europaweit werden männliche Ferkel im Alter von maximal 7 Tagen kastriert, um die Entstehung von unangenehmen Geruchsabweichungen, den so genannten Ebergeruch, sicher zu verhindern. Fraglich ist jedoch, welche Konsequenzen eine Mast von Jungebern, also der Verzicht auf den schmerzhaften chirurgischen Eingriff, für die Akzeptanz von Schweinefleisch hat. Bei einem Teil der unkastrierten Eber reichern sich im Fleisch sowie im Fettgewebe vermehrt unerwünschte Verbindungen an, deren Geruch häufig als stall- oder fäkalartig (Skatol) sowie urin- oder schweißartig (Androstenon) beschrieben wird. Je nach Gehalt der Stoffe und der individuellen Empfindlichkeit der Konsumenten führt dies bis zur Ungenießbarkeit des Fleisches. „Wie uns etwas schmeckt, wird nicht nur durch das Produkt selbst bedingt. Auch unser Wissen über dessen Herkunft, unsere Einstellungen dazu oder frühere Erfahrungen beeinflussen unsere Wahrnehmung“, erläutern Johanna Trautmann und Lisa Meier-Dinkel von der Universität Göttingen den Hintergrund der Studie.

Verringert die bloße Information, dass es sich um Eberfleisch handelt, die Akzeptanz bei den Konsumenten? Ergebnis: Weder die tatsächliche Fleischherkunft noch die entsprechende Kennzeichnung hatten einen signifikanten Einfluss auf die Beliebtheit der getesteten Koteletts. Dies erklären die Wissenschaftler damit, dass die Probanden keine negativen Assoziationen oder Erwartungen mit der Kennzeichnung verbanden. Die Eberkoteletts wurden beinahe ebenso gut bewertet wie das zur Kontrolle gereichte Fleisch. Selbst vergleichsweise hohe Gehalte an Androstenon verdarben den Testern nicht den Appetit.

In weiteren Studien muss allerdings noch überprüft werden, ob die Ergebnisse auch dann zutreffend sind, wenn die Probanden das Fleisch selbst zubereiten – denn die geruchsaktiven Stoffe werden vor allem beim Erhitzen freigesetzt – oder wenn das Fleisch einen höheren Fettgehalt als die vergleichsweise mageren Koteletts aufweist. Aktuell untersuchen die Forscher weiter, wie der Anteil geruchsauffälliger Eber durch züchterische Maßnahmen verringert und wie das Fleisch solcher Eber sinnvoll verarbeitet werden kann, ohne die Konsumentenakzeptanz zu beeinträchtigen.

Originalveröffentlichung: Lisa Meier-Dinkel et al.: Consumer perception of boar meat as affected by labelling information, malodorous compounds and sensitivity to androstenone. Meat Science. Doi: http://dx.doi.org/10.1016/j.meatsci.2012.09.002.

Kontaktadressen:
Prof. Dr. Michael Wicke, Dr. Daniel Mörlein
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Agrarwissenschaften – Abteilung Produktkunde – Qualität tierischer Erzeugnisse
Albrecht-Thaer-Weg 3, 37075 Göttingen, Telefon (0551) 39-5611 oder (0170) 7502146
Email: michael.wicke@agr.uni-goettingen.de, daniel.moerlein@agr.uni-goettingen.de

Internet: www.uni-goettingen.de/sensorik und www.uni-goettingen.de/fleischforschung

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Thomas Richter Uni Göttingen

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