Wolken: Nadelwälder tragen zu Partikel-Neubildung bei

Wer in einem Nadelwald spazieren geht, kennt den typischen Geruch der Monoterpene. Diese von Pflanzen – besonders von den riesigen Beständen der borealen Nadelwälder – emittierten Kohlenwasserstoffe tragen zur Neubildung von Partikeln in der Atmosphäre bei.

Das haben Wissenschaftler beim Großexperiment „CLOUD“ am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf in der Schweiz erstmals im Labor nachgewiesen. In der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ berichten die Forscher darüber. Mit einer ausgeklügelten Messtechnik konnten Ionen-Physiker der Universität Innsbruck dazu beitragen.

Mit dem neuesten Resultat legte das Team von „CLOUD“ einen weiteren Schritt im verbesserten Verständnis jener Vorgänge vor, die auf molekularer Ebene bei der Entstehung von Wolken in der Atmosphäre ablaufen. Was bei der so genannten Nukleation, bei der Neubildung von Partikeln (Aerosolen) genau passiert, ist bisher weitgehend unerforscht. Die jüngsten Ergebnisse zeigen laut den Forschern erstmals, dass vom Menschen verursachte Schwefelsäuremoleküle und oxidierte, organische Moleküle aus natürlichen Quellen, wie Monoterpene von Nadelwäldern, zusammen zur Neubildung von Partikeln in der Atmosphäre führen können.

Die 15köpfige Gruppe unter Leitung von Prof. Armin Hansel vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck hat in der Aerosolkammer des CERN dazu Pinanediol gemessen. Das ist ein Oxidationsprodukt dieser Monoterpene, das nach weiterer Oxidation gemeinsam mit Schwefelsäuremolekülen – so wie Amine – ebenfalls Molekülcluster bildet. Dieser erste Nachweis im Labor bestätigt laut den Forschern auf molekularer Ebene die Ergebnisse einer Langzeitstudie zur Emission von Monoterpenen aus borealen Nadelwäldern, die von der „Boreal Forest Research Station“ im finnischen Hyytiälä durchgeführt worden war. Erst vor Kurzem hatte das internationale Team des Großexperimentes in der Fachzeitschrift „Nature“ erste Ergebnisse zur Rolle von Aminen, Abkömmlingen von Ammoniak, als lokale Quelle bei der Entstehung von neuen Partikel veröffentlicht.

Innovation aus Tirol
All diese Vorgänge in der Atmosphäre wurden in der Aerosolkammer am CERN simuliert. Eine der dabei eingesetzten Schlüsseltechniken ist das hochempfindliche Messverfahren „PTR-TOF-MS“ (Proton-Transfer-Reaction Time-of-Flight Mass Spectrometer). Dieses Verfahren kann winzigste Mengen organischer Spurenstoffe in Echtzeit in der Kammerluft messen. Es wurde vom Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck in enger Zusammenarbeit mit dem Spin-Off-Unternehmen „Ionicon Analytik“ entwickelt und wird für die Experimente am CERN laufend weiter verfeinert.

Das Innsbrucker Team wurde für dieses Verfahren heuer mit dem Houska-Preis, Österreichs größtem, privaten Forschungspreis, ausgezeichnet. Das Team Hansels gilt im Feld der Spurenanalytik in Echtzeit als internationaler Pionier, da diese technische Innovation aus Tirol in Echtzeit Resultate mit extrem hoher Nachweiswahrscheinlichkeit liefert. Zuvor gab es für die Untersuchung von Luft auf flüchtige organische Verbindungen zeit- und kostenintensive Verfahren, die erst im Nachhinein Ergebnisse lieferten.

Beim Großexperiment „Cosmics Leaving Outdoor Droplets“, kurz „CLOUD“, werden die komplexen Mechanismen bei der Entstehung von Wolken erforscht. Für die Entstehung einer Wolke sind Kondensationkeime notwendig. Wie sich diese winzigen Partikel (Aerosole) in der Atmosphäre neu bilden, ist noch weitgehend unverstanden, spielt aber eine essenzielle Rolle im Verständnis und der Einschätzung des Klimas.

Publikation: Molecular understanding of atmospheric particle formation from sulfuric acid and large oxidized organic molecules. S. Schobesberger et. al.

DOI: http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1306973110

Fotos:
http://ph-news.web.cern.ch/content/glimpse-cloud-experiment
http://cds.cern.ch/record/1374405?ln=en
http://cds.cern.ch/record/1276313?ln=en
http://cds.cern.ch/record/1221293?ln=en
http://cds.cern.ch/record/1375156
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Armin Hansel
Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik
Technikerstrasse 25, A-6020 Innsbruck
Telefon: +43(0)699/10888453
Mail: Armin.Hansel@uibk.ac.at
Web: http://www.uibk.ac.at/ionen-angewandte-physik/umwelt/index.html
Mag.a Gabriele Rampl
Public Relations Ionenphysik
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