Künstlicher Glutamatschalter gegen Netzhauterkrankungen des Auges

Allein in Deutschland leben nach Angaben des Deutschen Blinden- und Sehbehinderten Verbands zurzeit rund 145.00 Blinde und 500.000 sehbehinderte Menschen.

Mit der Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung und der Zunahme altersbedingter Erkrankungen wird diese Zahl in den kommenden Jahren noch deutlich steigen. Bei vielen dieser Erkrankungen handelt es sich um nicht therapierbare degenerative Erkrankungen der Netzhaut, die durch die Schädigung oder den Verlust von Photorezeptoren zu einer teilweisen oder vollständigen Erblindung führen.

Allein ein Implantat, das die degenerierten Photorezeptoren ersetzt, könnte helfen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert jetzt die Entwicklung eines solchen „autonomen neurochemischen Implantats“ mit insgesamt 1,4 Mio. Euro. Beteiligt an dem Forschungsverbund sind die Universität Oldenburg mit der Abteilung Neurobiologie am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (Prof. Dr. Reto Weiler) und der Abteilung Energie- und Halbleiterforschung am Institut für Physik (Prof. Dr. Jürgen Parisi) sowie das Universitätsklinikum Tübingen (Prof. Dr. Eberhart Zrenner), das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut an der Universität Tübingen in Reutlingen (Prof. Dr. Elke Guenther) und das Helmholz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (Prof. Dr. Martha Ch. Lux-Steiner).

Photorezeptoren sind hoch spezialisierte Zellen, die das ins Auge einfallende Licht in elektrische Impulse umwandeln. Durch Freisetzung von Glutamat aus den Nervenendigungen (Synapsen) der Photorezeptoren werden diese Impulse an die nachgeschalteten Nervenzellen der Netzhaut und des Gehirns weitergeleitet und so ein Seheindruck erzeugt. Der Forschungs- und Entwicklungsverbund von Biologen, Medizinern, Physikern und Ingenieuren setzt hier an. Er will ein Implantat entwickeln, das durch eine gezielte und steuerbare Freisetzung des Botenstoffs Glutamat die Funktion einer „künstlichen Synapse“ im Nervensystem übernimmt. Als eine Art „Glutamatschalter“ soll es die degenerierten Photorezeptoren des erkrankten Auges ersetzen.

Langfristig wollen die WissenschaftlerInnen durch eine Kombination des Schaltprinzips mit verschiedenen Botenstoffen gezielt geschädigte Schaltkreise im gesamten Nervensystem steuern. Damit könnte das Implantat, so der Neurobiologe Weiler und der Physiker Parisi, in Zukunft nicht nur zur Behandlung von Netzhauterkrankungen, sondern auch von verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen des Gehirns, wie z.B. Parkinson, dienen.

Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Parisi, Institut für Physik, Abt. Energie- und Halbleiterforschung, Tel.: 0441/798-3541, E-Mail: parisi@ehf.uni-oldenburg.de

Prof. Dr. Reto Weiler, Institut für Biologie und Umweltwissenschaften, Abt. Neurobiologie, Tel.: 0441/798-2581, E-Mail: reto.weiler@uni-oldenburg.de

Media Contact

Dr. Corinna Dahm-Brey idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-oldenburg.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Atomkern mit Laserlicht angeregt

Dieser lange erhoffte Durchbruch ermöglicht neuartige Atomuhren und öffnet die Tür zur Beantwortung fundamentaler Fragen der Physik. Forschenden ist ein herausragender Quantensprung gelungen – sprichwörtlich und ganz real: Nach jahrzehntelanger…

Wie das Immunsystem von harmlosen Partikeln lernt

Unsere Lunge ist täglich den unterschiedlichsten Partikeln ausgesetzt – ungefährlichen genauso wie krankmachenden. Mit jedem Erreger passt das Immunsystem seine Antwort an. Selbst harmlose Partikel tragen dazu bei, die Immunantwort…

Forschende nutzen ChatGPT für Choreographien mit Flugrobotern

Robotik und ChatGPT miteinander verbinden… Prof. Angela Schoellig von der Technischen Universität München (TUM) hat gezeigt, dass Large Language Models in der Robotik sicher eingesetzt werden können. ChatGPT entwickelt Choreographien…

Partner & Förderer