Perspektiven der Radio-Onkologie nach dem Hamburger Strahlenskandal

Zu Beginn der 90-er Jahre kamen in Hamburg Tumorpatienten in zwei verschiedenen Abteilungen des UKE durch eine Strahlenbehandlung zu Schaden. Für die Organisatoren des DEGRO-Kongresses ein Anlass, bei ihrer Jahresversammlung vom 8.-11. September in der Hansestadt eine kritische Bilanz zu ziehen. Ihr Fazit: Die Zunft hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und die Behandlung sicherer gemacht.

Die Standortwahl des diesjährigen Kongresses für Radioonkologie legt es nahe, sich nicht nur den Perspektiven der Zukunft zuzuwenden, sondern darüber hinaus eine rückblickende Bilanz über die Entwicklung der Strahlentherapie unter Berücksichtigung der speziellen Hamburger Verhältnisse zu ziehen.

Zu Beginn der 90-er Jahre kamen in Hamburg Tumorpatienten in zwei verschiedenen Abteilungen des UKE durch eine Strahlenbehandlung zu Schaden. Die DEGRO bedauert diese Vorfälle ausdrücklich. Katastrophen sollen nicht schöngeredet werden, sie bieten jedoch auch die Chance zu lernen und durch Vermeidung erkannter Fehler die Therapie der Zukunft schonender und effektiver zu gestalten. Hierzu haben die Hamburger Vorkommnisse nicht zuletzt einige wichtige Impulse geliefert.

Qualitätsverbesserung durch technische Weiterentwicklungen

Durch die Einführung der drei-dimensionalen Bestrahlungsplanung, bei der Tumoren mit umliegenden Organen in Schnittbildern dargestellt werden und die Strahlendosis individuell jeweiligen Erfordernissen angepasst werden, erreicht man eine bessere Zielgenauigkeit und damit mehr Schonung von gesundem Gewebe.

Enorme technische Fortschritte wurden auch bei der Weiterentwicklung moderner Linearbeschleuniger erzielt, die heute eine millimetergenaue Einstellung der berechneten Bestrahlungsfelder ermöglichen.

Eine weitere wesentliche Verbesserung stellt auch die intensitätsmodulierte Strahlentherapie dar, bei der sich die Konturen des Bestrahlungsfeldes während der laufenden Strahlentherapie in berechneter Weise verändern. Dies geschieht, indem sich schmale Bleilamellen im Strahlerkopf vor und zurück bewegen und so verschiedene Formungen des Bestrahlungsfeldes hervorrufen. Damit soll eine noch präzisere Anpassung des Bestrahlungsvolumens an die individuelle Form des Tumorgebietes erreicht werden, was ebenfalls zur Schonung von Normalgewebe beiträgt.

Qualitätssicherung

Die Deutsche Gesellschaft für medizinische Physik hat eine Fülle von Richtlinien zur kontinuierlichen Qualitätssicherung entwickelt. So wird jedes Bestrahlungsgerät täglich einem „check“ unterzogen, bei dem eine Fülle definierter technischer Parameter nach-gemessen werden. Außerdem wird jeder Bestrahlungsvorgang minutiös dokumentiert. Darum kann beispielsweise ein Berechnungsfehler jederzeit nachvollzogen werden. Außerdem verfügen moderne Beschleuniger über eine Reihe von „Sicherheitsbremsen“: Stimmen die Daten von Planung und Geräteeinstellung nicht überein, wird die Bestrahlung nicht von den Geräten freigegeben. So wird das Risiko von „Fehlbestrahlungen“ auf ein Minimum reduziert.

Einen wichtigen Schritt stellte die Gründung einer eigenen Fachgesellschaft (DEGRO) dar, die sich 1995 von der „Muttergesellschaft“ der Radiologen löste und sich seitdem ausschließlich den Belangen der Strahlentherapie widmet. So hat die DEGRO – in inter-disziplinärer Zusammenarbeit mit anderen Fachgesellschaften – für die meisten gängigen Tumoren zwischenzeitlich Leitlinien erstellt, die jedem Strahlentherapeuten vor Ort eine Orientierung darüber geben, wie die verschiedenen Krebserkrankungen zu behandeln sind. Solche Leitlinien enthalten beispielsweise Angaben zur Strahlendosis und zur Behandlungstechnik.

Einen weiteren Beitrag zur Sicherung der Behandlungsqualität stellt die Ausarbeitung und Teilnahme an medizinischen Studien dar. Was in Amerika bereits seit vielen Jahren allgemein bekannt ist, dringt auch in Deutschland zunehmend ins Bewusstsein der Öffentlichkeit: Studienpatienten werden auf höherem Qualitätsniveau behandelt und nachgesorgt, sie haben deshalb die besten Heilungschancen.

Qualitätskontrolle

Eine effektive Kontrolle des Behandlungserfolges aber auch von Therapie-Nebenwirkungen ist ohne regelmäßige Nachsorge undenkbar. Strahlenfolgen treten mitunter noch nach Jahren auf. Deshalb sollte jeder bestrahlte Patient mindestens einmal jährlich von einem Strahlentherapeuten nachuntersucht werden. Nur so ist es möglich, langfristige Aussagen über die Qualität eines Behandlungsverfahrens zu treffen und die-ses -wenn nötig – entsprechend zu verändern. Ein erheblicher Teil der Hamburger Ereignisse hätte vermieden werden können, wenn die entsprechenden Nebenwirkungen durch regelmäßige Nachsorge frühzeitig erkannt worden wären.

Krebs ist nicht mit Streicheleinheiten heilbar

Alle genannten Qualitätsverbesserungen ändern jedoch nichts daran, dass eine wirksame Krebsbehandlung ohne Nebenwirkungen nicht möglich ist. Jede Operation hinterlässt Narben, jede Chemotherapie verursacht Nebenwirkungen. Auch während einer Strahlenbehandlung kann es zu akuten, unerwünschten Begleitreaktionen kommen. Diese sind mit einer entsprechenden Behandlung jedoch meist gut beherrschbar. Anders verhält es sich bei chronischen Strahlenfolgen, die oft nur symptomatisch zu lindern sind. Da man sie nicht heilen kann, muss man versuchen, sie zu vermeiden. Auch hier muss jedoch sorgfältig abgewogen werden, ob man, um die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen zu verringern, den Patienten einem erhöhten Risiko aussetzt, an seiner Tumorerkrankung zu sterben.

Pressestelle:
PD Dr. Marie-Luise Sautter-Bihl, Klinik für Strahlentherapie, Städt. Klinikum Karlsruhe
Tel. (0721)974-4001,
Fax: (0721)974-4009,
Handy: 0172 7326404
während des Kongresses: CCH, Am Dammtor, 20355 Hamburg, Saal 16
Tel. (040)3569-3340 oder 3569-3341,
Fax (040)3569-3342

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Dipl. Biol. Barbara Ritzert idw

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