Neue Einblicke in die Entstehung von Krebs

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass genetische Veränderungen zur Entstehung von Krebs führen können. Die genetische Information ist in der Basenabfolge (A, C, G und T) der Erbsubstanz DNA enthalten und stellt den genetischen Bauplan des Körpers dar. Alle Zellen des Körpers enthalten eine identische Kopie dieses Bauplans. Trotzdem können die Zellen verschieden aufgebaut sein und sehr unterschiedliche Funktionen ausüben. Der Grund dafür ist, dass je nach Zelltyp – zum Beispiel Muskel- oder Nervenzelle – jeweils nur ein bestimmter Teil der genetischen Information abgelesen wird. Das hängt von der Verpackung (Chromatinstruktur) und der Modifikation der DNA durch Anhängen so genannter Methylgruppen (Methylierung) ab. Chromatinstruktur und DNA-Methylierung werden daher auch epigenetische Information (griech.Vorsilbe epi: über) genannt, also Informationen, die über die rein genetische Information der Basenabfolge hinausgehen. Jetzt hat in einer Kooperation mit Prof. Dr. Rudolf Jaenisch (Whitehead Institute am Massachusetts Institute of Technology, MIT, in Cambridge/USA) und Prof. Dr. Joe Gray (Universität von Kalifornien) die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Heinrich Leonhardt (Ludwig-Maximilians-Universität und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, MDC, Berlin-Buch) zeigen können, dass auch epigenetische Veränderungen zur Entstehung von Krebs führen können. Die Arbeiten sind in der renommierten Fachzeitschrift Science (Vol. 300, No. 5618, pp. 442-443; 455; 489-492) erschienen.

Die Forscher veränderten das Gen für ein Enzym (DNA-Methyltransferase 1), das normalerweise Methylgruppen an die DNA anfügt. Der Gendefekt führt bei den Mäusen zu einer Verringerung der DNA-Methylierung, und macht es möglich, die Auswirkungen epigenetischer Störungen direkt zu untersuchen. Die Mäuse werden ohne erkennbare Defekte geboren und sind lediglich etwas kleiner als ihre Artgenossen. Aber schon im Alter von drei bis vier Monaten entwickeln sie aggressive Tumore in den Lymphknoten. Eine genaue Untersuchung dieser Tumore zeigte, dass die verringerte Methylierung (DNA-Hypomethylierung) zur Destabilisierung des Genoms geführt hatte. So lag in fast allen Tumorzellen das Chromosom 15 in drei statt der üblichen zwei Kopien vor. Welche dramatischen Folgen ein überzähliges Chromosom haben kann, wird am Beispiel der Trisomie 21-Patienten deutlich. In den Tumorzellen der hypomethylierten Mäuse wird besonders das c-myc Onkogen stark exprimiert, was das unkontrollierte Wachstum dieser Zellen erklären könnte. Hierzu passt, dass das c-myc-Gen auf dem Chromosom 15 liegt, das in den Tumoren in dreifacher Kopie vorliegt. Die Arbeit hatte im Wesentlichen Francois Gaudet, Doktorand aus der Arbeitsgruppe von Prof. Leonhardt durchgeführt, der dafür bei einem Doktorandenwettbewerb im MDC einen Preis bekommen hatte. Die Ergebnisse zeigen nach Ansicht der Forscher, dass epigenetische Störungen zur Destabilisierung des Genoms und zur Krebsentstehung führen und damit die gleichen fatalen Folgen haben können wie genetische Veränderungen.

Möglicherweise haben diese Erkenntnisse auch Konsequenzen für die Krebstherapie. So werden unspezifische DNA-Methylierungshemmer bereits zur Krebstherapie eingesetzt. Doch erscheint auf Grund der jetzt gewonnenen Erkenntnisse nach Auffassung der Wissenschaftler die Entwicklung spezifischer Inhibitoren dringend notwendig.

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