Infektionen als Ursache für Unfruchtbarkeit des Mannes

„Kinder bekommen die Leute immer.“ Leider ist diese Aussage des früheren Bundeskanzlers Konrad Adenauer heute wie auch schon damals nicht ganz zutreffend; gibt es doch zu allen Zeiten Paare, bei denen der Kinderwunsch nicht in Erfüllung geht.

Die Ursachen dafür liegen zu etwa gleichen Teilen bei Mann und Frau. Beim Mann ist zwar bekannt, dass etwa 15% aller Fälle von Unfruchtbarkeit auf Entzündungen und Infekte der Geschlechtsorgane zurückgeführt werden können, allerdings war bislang unklar, wie es dazu kommt.

Untersuchungen eines Teams von Wissenschaftlern der Universitäten Gießen und Rennes, Frankreich, zeigen jetzt, dass pathogene Bakterien des Urogenitalbereiches in den Hoden gelangen und die gegen sie gerichtete Immunantwort wirksam manipulieren können. Die jetzt im „Journal of Immunology“ publizierte Arbeit gehört zu den ersten Veröffentlichungen der neuen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingerichteten Klinischen Forschergruppe „Männliche Infertilität durch Spermatogenesestörungen“, die damit gut gestartet ist.

Der Hoden besitzt einen immunologischen Sonderstatus, weil er Immunreaktionen unterdrückt, um zu verhindern, dass die männlichen Keimzellen, die während der Pubertät erstmals gebildet werden, vom eigenen Immunsystem erkannt und bekämpft werden. Dieser als Immunprivileg bezeichnete Zustand wird besonders dadurch deutlich, dass Organtransplantate, die unter die Hodenhülle verpflanzt werden, nicht oder nur sehr langsam abgestoßen werden. Auf der anderen Seite wäre es aber fatal, wenn sich der Hoden gegen bakterielle oder virale Infekte nicht wirksam schützen könnte.

Bakterien präsentieren auf ihrer Oberfläche Moleküle, die von Körperzellen durch so genannte Toll-ähnliche Rezeptoren erkannt werden, die daraufhin eine Immunantwort gegen den Erreger auslösen. In Untersuchungen von zwei im Hessischen Zentrum für Reproduktionsmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen organisierten Arbeitsgruppen um Prof. Andreas Meinhardt (Anatomie und Zellbiologie, Arbeitsgruppe Reproduktionsbiologie) und Prof. Trinad Chakraborty (Medizinische Mikrobiologie) wurde nun deutlich, dass die unterschiedlichen Zelltypen des Hodens verschiedene Toll-ähnliche Rezeptoren aufweisen.

Aus dem Urogenitalbereich isolierte pathogene E. coli Bakterien können jedoch aktiv eine typische entzündungsfördernde, anti-bakterielle Immunantwort der Hodenzellen trotz Erkennung der bakteriellen Oberflächenmoleküle unterdrücken. Stattdessen werden die Zellen umprogrammiert und bilden Botenstoffe, die typisch für einen viralen Infekt sind, bei der Bekämpfung von Bakterien aber nicht sehr effektiv sind. Auf diese Weise gelingt es den Bakterien eine wirksame Immunantwort der Hodenzellen gegen sich abzumildern oder gänzlich zu unterbinden, so dass sie sich weitgehend ungehindert vermehren können.

In weiteren Untersuchungen soll jetzt in Zusammenarbeit mit der Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH geklärt werden, wie die Bakterien in den Hoden gelangen und welche Störungen sie dort auslösen, die letztlich Ursache der Infertilität sind.

Publikation:

Sudhanshu Bhusan, Svetlin Tchatalbachev, Jörg Klug, Monika Fijak, Charles Pineau, Trinad Chakraborty und Andreas Meinhardt (2008), Uropathogenic Escherichia coli block MyD88 dependent and activate MyD88 independent signaling pathways in rat testicular cells. J Immunol (2008) 180: 5537-5547. (Erscheinungsdatum: 15. April 2008, online bereits verfügbar)

Kontakt:

Prof. Andreas Meinhardt
Institut für Anatomie und Zellbiologie
Aulweg 123, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-47024
E-Mail: andreas.meinhardt@anatomie.med.uni-giessen.de

Media Contact

Christel Lauterbach idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer