Mit Hightech-Textilien gegen Hitzestress

Nach einer Studie aus dem Jahr 2003 gehen 49% der Todesfälle bei Feuerwehrleuten in den USA auf Hitzestress zurück.* Vor diesem Hintergrund haben Wissenschaftler der Hohenstein Institute in Bönnigheim im Rahmen eines Forschungsprojektes (AiF-Nr. 16676 N) gemeinsam mit Industriepartnern spezielle Funktionsunterwäsche für Einsatzkräfte bei der Feuerwehr entwickelt.

Während die Oberbekleidung als Teil der sogenannten Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) in den vergangenen Jahrzehnten ständig optimiert wurde und detaillierte normative Vorgaben erfüllen muss, wurden die darunter getragenen Kleidungsschichten bislang eher stiefmütterlich behandelt. Im Sport- und Freizeitbereich sind diese aufeinander, in ihrer Funktion abgestimmten Kleidungsschichten, welche die physiologischen Vorgänge des Trägers optimal unterstützen, mittlerweile Usus. Bei den Feuerwehrleuten ist die Frage des „Darunters“ dagegen weitgehend Privatsache und das obwohl die Umgebungsbedingungen und die körperliche Anstrengung im Einsatz noch über die im Profisport hinausgehen.

Bei der Entwicklung eines Kleidungssystems für die Floriansjünger verfolgte Projektleiterin Dr. Bianca Wölfling aus dem Team um Dr. Jan Beringer deshalb insbesondere das Ziel, die körpereigene Kühlfunktion durch einen schnellen Abtransport des Schweißes optimal zu unterstützen und gleichzeitig eine gute Wärmeisolation zu erreichen: „Die Umgebungstemperatur und der Aktivitätsgrad der Feuerwehrleute ist abhängig von der Art des Einsatzes sehr unterschiedlich. Dieser Spagat ist nur über ein Kleidungssystem gemäß des Zwiebelschalenprinzips zu erreichen.“ Entsprechend erforschten die Wissenschaftler aufeinander aufbauende Kleidungsschichten, mit deren Hilfe sich die komplexen Anforderungen optimal lösen lassen. Als besonders effektiv erwiesen sich bei der hautnah getragenen Kleidungsschicht in den Laboruntersuchungen zwei Materialvarianten: Bei den sogenannten Double-Face-Materialien wird eine hydrophobe (wasserabweisende) Innenseite mit einer hydrophilen (wasseranziehenden) Außenseite kombiniert. Der sich daraus ergebende schnelle Schweißtransport weg vom Körper wurde von den Forschern gegenüber funktionellen Sporttextilien dabei noch einmal deutlich verbessert. Gleiches gilt für die zweite Materialvariante die komplett hydrophob ausgestattet wurde.

Für die nächste Kleidungsschicht, die künftig u. a. die gängigen Trainingsanzüge (Stationwear) von Berufsfeuerwehren ersetzen könnte, untersuchte das Projektteam verschiedene Membran-Materialien auf ihre Fähigkeit den Schweiß aufzunehmen und vom Körper wegzutransportieren. Darüber hinaus galt das Augenmerk aber auch der Wärmeisolation dieser Kleidungsschicht: Diese ist sowohl beim Löscheinsatz als zusätzliche Barriere gegenüber der Hitze des Brandherdes wie auch als Kälteschutz bei sonstigen Rettungseinsätzen besonders wichtig.

Gemäß dem Titel des Forschungsprojektes „Entwicklung einer physiologisch funktionellen und industriell wiederaufbereitbaren Feuerwehrschutzkleidung unter Erhalt der Schutzfunktion und Gebrauchstauglichkeit“ standen bei der Untersuchung der Oberbekleidung die Einhaltung der normativen Vorgaben hinsichtlich Flammhemmung und Warnwirkung im Vordergrund. Damit die Einsatzkleidung möglichst lange genutzt werden kann, dürfen diese Schutzwirkungen auch durch die Wiederaufbereitung, d. h. das Waschen und Trocknen, unter den extremen mechanischen und thermischen Bedingungen gewerblicher Wäschereien nicht signifikant beeinträchtigt werden. Deshalb verglichen die Wissenschaftler verschiedene Materialien auch im Hinblick auf diese Aspekte und definierten eine optimale Oberstoffkonstruktion.

Neben den Laboruntersuchungen mit dem sogenannten Hautmodell und der thermischen Gliederpuppe „Charlie“ mit deren Hilfe die thermophysiologischen Eigenschaften der einzelnen Kleidungsschichten und deren Zusammenspiel miteinander untersucht wurden, setzten die Hohenstein Wissenschaftler auch Testpersonen ein. Zu Beginn des Projektes wurden mit ihrer Hilfe marktübliche Feuerwehrausrüstungen unter realen Bedingungen in der Klimakammer getestet. Ziel war es dabei, subjektive Beurteilungen des Tragekomforts sowie physiologische Messwerte zu erhalten und diese dann in Abhängigkeit mit den im Labor ermittelten objektiven Untersuchungsergebnissen bringen zu können. Dabei zeigte sich, dass Feuerwehrleute in den bisher üblichen Monturen bereits bei einer Umgebungstemperatur von 18° C und moderater körperlicher Bewegung zu schwitzen beginnen. Mit Hilfe der zum Abschluss des Projektes durchgeführten Trageversuche wurden die objektiven Messergebnisse der optimierten Produkte durch die persönliche Beurteilung der Probanden validiert.

Kontakt:
Dr. Bianca Wölfling
E-Mail: b.woelfling@hohenstein.de
www.hohenstein.de
Projektpartner:
 Eschler Textil GmbH
 Fuchshuber Techno-Tex GmbH
 W.L. Gore & Associates GmbH
 Sympatex Technologies
 Trans-Textil GmbH
 Lion Apparel
 S Gard Schutzkleidung Hubert Schmitz GmbH & Co. KG
 Watex Schutzbekleidungs GmbH
 Tempex GmbH
Wir danken der Forschungsvereinigung Forschungskuratorium Textil e.V.,
Reinhardtstraße 12 – 14, 10117 Berlin für die finanzielle Förderung des IGFVorhabens AiF-Nr 16676N, die über die AiF im Rahmen des Programms zur
Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages erfolgte.

Media Contact

Rose-Marie Riedl Hohenstein Institute

Weitere Informationen:

http://www.hohenstein.de

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