Neue Fräskinematik – individuell und hochpräzise fertigen

© Fraunhofer IFAM Bearbeitungsroboter Flexmatik.

Konsumenten verlangen verstärkt nach maßgeschneiderten, individualisierten Produkten. Um den steigenden Anforderungen sowie individuellen Kundenwünschen zu entsprechen und zugleich dem gestiegenen Kostendruck zu begegnen, muss die Fertigung von morgen effizient und anpassungsfähig gestaltet sein.

Für Zerspanungsaufgaben, bei denen Werkstücke eine bestimmte geometrische Form erhalten, kommen nach wie vor Werkzeugmaschinen zum Einsatz, die hochpräzise arbeiten. Konventionelle Industrieroboter können diese Maschinen aufgrund der fehlenden Genauigkeit bislang nicht ersetzen. Insbesondere das Fräsen mit Robotern stellt aktuell noch immer eine große Herausforderung dar.

Die Abdrängung des Werkzeugs aufgrund der niedrigen Systemsteifigkeiten – primär bedingt durch die Getriebe – beschränkt die Anwendung. Für das zerspanende Bearbeiten von Leichtbauwerkstoffen wie Aluminium und carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK), aber auch von Metallen und Stählen müssen jedoch geringste Fertigungstoleranzen garantiert werden.

Individualisierte Produktion bis zu Losgröße 1

Im Fraunhofer-Verbundprojekt »Flexmatik 4.1« (siehe Kasten) entwickeln das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM sowie für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF einen Roboter, dem auch das hochpräzise Fräsen von Leichtbauwerkstoffen gelingen soll. Hierfür muss die Kinematik grundlegend geändert werden. »Wir

konstruieren eine Mehrachskinematik, die speziell für Bahnprozesse ausgelegt ist«, erläutert Sascha Reinkober, Abteilungsleiter am Fraunhofer IPK. Dabei fährt der Roboter auf einer sogenannten Lineareinheit – einer Art Schiene – entlang des zu bearbeitenden Bauteils von Punkt A nach Punkt B. »Wir erwarten auf Basis der im Rahmen der Auslegung durchgeführten Systemsimulationen, dass wir das Genauigkeitsziel von plus/minus 0,1 Millimeter erreichen werden.

Dies gelingt bereits ab dem ersten Bauteil während der Bearbeitung trotz der einwirkenden Prozesskräfte. Damit ist eine individualisierte Produktion bis zu Losgröße 1 möglich«, sagt Jan Hansmann, Projektleiter am Fraunhofer LBF. »Der Roboter wird sich unter Krafteinwirkung um ein Vielfaches weniger von der programmierten Sollposition wegbewegen. Eine Bohrung wird dann beispielsweise wesentlich genauer an der vorgesehenen Position im Bauteil erzeugt.«

Um die hohe Präzision zu erzielen, entwickelt das Forscherteam ein neues Antriebskonzept für einzelne Achsen. Dabei setzt es auch auf Direktantriebe, die im Betrieb deutlich steifer sind als aktuelle Hightech-Getriebe. Dank eines neuen Klimatisierungskonzepts lassen sich zudem temperaturbedingte Ungenauigkeiten minimieren. Darüber hinaus erhält der Roboter eine Werkzeugmaschinensteuerung. Ein aktives System, das Schwingungen und Vibrationen des Werkzeugs kompensiert, komplettiert die neue Flexmatik.

Der Vorteil des neu strukturierten Roboters gegenüber Werkzeugmaschinen: die Anschaffungskosten fallen um bis zu Faktor zehn niedriger und die Energieaufnahme um bis zu Faktor 15 geringer aus. Durch die Lineareinheit besitzt die Flexmatik außerdem einen Arbeitsraum vergleichbar mit dem von großen Portalfräsmaschinen bei gleichzeitig gesteigerter Zugänglichkeit.

Anders als bei Portalfräsmaschinen benötigt die Flexmatik kein Schwerlastfundament, was eine flexible Aufstellung erlaubt und hohe Baukosten vermeidet. Bis Ende des Jahres wollen die Forscherinnen und Forscher den funktionsfähigen Prototyp fertigstellen.

Das Einsatzgebiet des innovativen Fräsroboters ist vielseitig: Es reicht vom Bearbeiten großer CFK-Strukturen wie Flugzeugrümpfen über das Fräsen von Bauteilen für Gasturbinen bis hin zum Rekonturieren von Presswerkzeugen.

»Die Flexmatik eignet sich für eine Vielzahl von Anwendungen in nahezu allen Branchen, die Werkzeugmaschinen nutzen. Es geht aber nicht darum, Werkzeugmaschinen zu ersetzen, sondern diese sinnvoll zu ergänzen und zu entlasten. Ziel ist es im Wesentlichen, Produktionsprozesse günstiger zu gestalten«, betont Sven Philipp von Stürmer, Projektleiter am Fraunhofer IFAM.

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Anke Zeidler-Finsel Fraunhofer Forschung Kompakt

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