Grroußmudder will Rrrrunds-tücke mit Budder …
Gesprochenes Deutsch online: Das Deutsche Spracharchiv in Mannheim mit Hilfe der VolkswagenStiftung innerhalb von vier Jahren digitalisiert
Ob Großmutter das, was andernorts als Semmeln, Schrippen oder Brötchen bezeichnet wird, bekommen hat, wissen wir nicht. Denn viel versteht der des Plattdeutschen unkundige Zuhörer dieser Tondokumentation aus dem friesischen Alltag Südtonderns vor etwa vierzig Jahren ohnehin nicht. Was sich hier als Beispiel gesprochenen Deutschs vor einem ausbreitet, ist nur eine von vielen Aufnahmen, die lange Zeit im Keller des Deutschen Spracharchivs in Mannheim (DSAv) schlummerten – drei Minuten von insgesamt mehreren Tausend Stunden Tonbeispielen aus allen Ecken des Landes und darüber hinaus. Doch vorbei ist mit Beginn dieses Jahres die Zeit, in der man im DSAv Tonbänder mühselig spulen und abhören musste. Das DSAv ist jetzt digital und eröffnet mit seinen Aufnahmen des gesprochenen Deutschs der Sprachwissenschaft völlig neue Möglichkeiten des Arbeitens.
Möglich wurde dies, da die VolkswagenStiftung vor vier Jahren dem Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim für das dort beheimatete Deutsche Spracharchiv 375.000 Euro bewilligte, damit sich die Erfassung und Archivierung der Bestände auf eine elektronische Basis stellen lässt – um einerseits Bestehendes vor dem Verfall zu retten, vor allem aber, um die Tondokumente künftig der Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen. Mit insgesamt rund 15 000 Aufnahmen verfügt das DSAv über die weltweit größte Sammlung gesprochenen Deutschs. Sie bietet einen umfassenden Bestand deutscher Dialekte – allein etwa 8 500 Aufnahmen aus der alten Bundesrepublik, der DDR und den ehemaligen deutschen Ostgebieten -, dokumentiert sind die deutschen Umgangssprachen, das gesprochene Standarddeutsch, zahlreiche Varietäten aus deutschen Sprachinseln im Ausland sowie das Gesprächsverhalten in verschiedenen Kontexten.
Kontakt: Institut für Deutsche Sprache, Mannheim, Dr. Peter Wagener Trabold, Tel.: 06 21/15 81 – 1 09,
e-mail:wagener@ids-mannheim.de
Wollen Sie sich vielleicht mit einer Beschreibung des Schuhplattlers in urwüchsigem Oberbayerisch beschäftigen? Oder typischen Gesprächen beim Flachsbrechen in Mecklenburg? Mit der Aufnahme einer Gerichtsverhandlung oder einem Konfliktgespräch zwischen Mutter und Tochter? All das ist jetzt ohne große Probleme möglich über die Datenbank “Gesprochenes Deutsch”, die im Internet zur Verfügung steht und eine weltweite Recherche in den Beständen des Spracharchivs erlaubt. Die der interessierten Öffentlichkeit zugängliche Version der Datenbank enthält die gesamten dokumentarischen Angaben zu den im Archiv digital bereit stehenden Aufnahmen des DSAv, darüber hinaus zwölf “alignierte” Transkripte und Tonaufnahmen als Beispiele. Aligniert bedeutet hier, dass Töne und Texte einander parallel zugeordnet wurden, sich somit die Verschriftlichung einer Tonaufnahme im Internet aufrufen und lesen und sich an jeder beliebigen Stelle durch Mausklick ein zehn Sekunden langer Ausschnitt anhören lässt.
Per Volltext-Recherche kann man in der Dokumentation auch themenbezogen (zum Beispiel Arzt-Patienten-Kommunikation, Handwerke, Volksbräuche) suchen, nach bestimmten Formen des Deutschen (etwa schlesische Dialekte, Umgangsprache von Mannheim, ein Studienberatungsgespräch, das altertümliche Deutsch einiger Amish People in den USA) oder nach Typen von Sprecherinnen und Sprechern (Bäckermeister, alte Männer, junge Frauen etc.) – die Liste ließe sich fortsetzen. Vor allem für Sprachwissenschaftler ist es interessant, in den Transkripten wortweise zu recherchieren, um Probleme der Aussprache, Grammatik oder Pragmatik unmittelbar an gesprochenen Texten analysieren zu können.
Mit der Modernisierung des Spracharchivs trägt die VolkswagenStiftung dazu bei, dass ein Kulturdenkmal erhalten bleibt. So sind manche der dort dokumentierten Dialekte heute kaum oder nicht mehr aufzufinden; andererseits sind Tonaufnahmen von Vertriebenen aus Pommern und Schlesien nicht nur für Germanisten von Bedeutung, sondern stellen zugleich eine Fundgrube dar für Historiker, da die Interviewten oft über ihre Erfahrungen auf der Flucht berichten. Wiederum wird an dem immer häufiger zu hörenden Satz “Das ist halt eben so” deutlich, wie sich einzelne Mundarten oder Redewendungen vermischen können. Das Wort “halt” kam ursprünglich nur in Süddeutschland zum Einsatz, das Wort “eben” dagegen nur in Norddeutschland. “Das Archiv ist also letztlich nicht weniger als ein ‚Sprachgedächtnis‘ des Deutschen”, betont Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung.
Mit der Beherbergung des nunmehr digitalisierten Deutschen Spracharchivs – seit 1955 werden die Proben gesprochenen Deutschs bereits gesammelt – unterstreicht das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim erneut seine bedeutende Rolle als zentrale wissenschaftliche Einrichtung zur Erforschung des heutigen Deutschs und dessen neuerer Geschichte. Oder wie man im Ruhrpott sagen würde: “Wennsze wat über Sprache suchen tus, musse dat über Mannheim mach’n …”
Und hier ist die Internet-Adresse: http://www.ids-mannheim.de/DSAv. Testen Sie selbst !!!
Die Datenbank enthält neben dieser Version, die für jeden zugänglich ist, auch eine speziell für Wissenschaftler. In jener stehen – ebenfalls mit Beginn diesen Jahres – mehr als tausend alignierte Tonaufnahmen zur Verfügung. Dafür ist eine Anmeldung erforderlich.
Kontakt VolkswagenStiftung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Dr. Christian Jung, Tel.: 05 11/83 81 – 3 80, Fax 05 11/83 81 – 3 44,
e-mail:jung@volkswagenstiftung.de
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