Ältere Menschen sind gut zu Fuß: Studie untersucht Freizeitmobilität

Für Gesprächsstoff sorgt seit längerem die demographische Entwicklung. Der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung wird sich deutlich vergrößern. Doch wie werden Senioren in den nächsten Jahrzehnten leben? Medizinische Fortschritte und die dadurch steigende Lebenserwartung beeinflussen das Lebensgefühl dieser Generation. Ins stille Kämmerlein möchte sich so schnell niemand zurückziehen. Mit der Freizeitmobilität älterer Menschen befassen sich Forscher der Universitäten Dortmund und Bonn.

Um herauszufinden, wie sich die Mobilität in den nächsten Jahrzehnten entwickeln könnte, untersuchten die Forscher zuerst den Ist-Zustand. In der Region Bonn-Eifel befragten sie deshalb 4.500 Personen zwischen 60 und 101 Jahren. Von Interesse war das jeweilige Freizeit- und Mobilitätsverhalten, der Gesundheitszustand, persönliche Einstellungen etc. „Überraschend war, wie wenig der Pkw genutzt wird und dass die eigenen Füße nach wie vor das wichtigste Verkehrsmittel Älterer sind“, berichtet Birgit Kasper, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Dr.-Ing. Christian Holz-Rau an der Fakultät Raumplanung der Universität Dortmund.

Alt zu sein, heißt aber noch lange nicht, zum alten Eisen zu gehören: „Alte Menschen sind in hohem Maße freizeitaktiv und flexibel in der Art ihrer Freizeitgestaltung“, lautet eines der zentralen Ergebnisse. Am häufigsten sind die Befragten sozial aktiv: 98 Prozent gaben Tätigkeiten an wie das Besuchen von Verwandten oder auswärts Essen gehen. Für 92 Prozent gehören sportliche Aktivitäten wie auch Spaziergänge regelmäßig zum Tagesablauf; Ausflüge unternehmen 83 Prozent. Einfluss auf die Häufigkeit derartiger Unternehmungen haben gesundheitliche Einschränkungen, aber auch das Alter und Geschlecht.

Besonderes Augenmerk lag auf den räumlichen Unterschiede bezüglich der Mobilität in der Stadt, im suburbanen und im ländlichen Raum. Auffallend hoch ist der Fußwegeanteil im ländlichen Raum (Eifel), dort werden sieben von zehn Wegen (69 Prozent) per pedes zurückgelegt. Nur für jeden vierten Weg (26 Prozent) wird allgemein das Auto genutzt. Am höchsten ist der Anteil des Pkw mit 34 Prozent im suburbanen Raum. Der ÖPNV nimmt in Bonn einen Anteil von elf Prozent an den Freizeitwegen ein. Im suburbanen und ländlichen Raum ist er mit zwei bzw. einem Prozent verschwindend gering. Bei weitem nicht alle älteren Menschen verfügen über einen Pkw. In Bonn leben fast 40 Prozent der Älteren in Haushalten ohne Auto, im suburbanen Raum 20 Prozent, im ländlichen Raum knapp 30 Prozent. Fast zwei Drittel der Unternehmungen werden lokal im eigenen Ortsteil (Bonn: Stadtteil) durchgeführt, und sogar 85 Prozent in der eigenen Gemeinde. Besonders stark ist die lokale Orientierung am eigenen Ortsteil wiederum in der Eifel.

Wie wirken sich diese Aktivitäten auf die Lebenszufriedenheit aus? Die Forscherinnen und Forscher ermittelten, dass häufige Unternehmungen außer Haus das Lebensgefühl positiv beeinflussen – dabei spielen jedoch die dabei zurückgelegten Distanzen, die Stärke der Pkw-Nutzung und die Pkw-Verfügbarkeit keine Rolle. Personen ohne Auto sind genauso zufrieden wie Personen mit Pkw; und Senioren, die ihre Freizeitaktivitäten im Wohnviertel unternehmen, sind genauso zufrieden wie solche, die erst einmal lange Strecken zurücklegen. Wichtige Faktoren sind hingegen eine gute Gesundheit, ein dichtes soziales Netz (insbesondere Partnerschaft) und ein hohes Einkommen.

Aus den Ergebnissen leiteten die Forscher Handlungsempfehlungen ab, die auf der Erkenntnis basieren, dass ältere Menschen eine heterogene Bevölkerungsgruppe mit differenzierten Lebensstilen und Interessen sind, die sich im Alter mitunter sogar schneller ändern als bei jüngeren Menschen. Ein Fazit der Experten lautet: Die Sicherung der wohnortnahen Erreichbarkeit ist wichtiger als der Ausbau für hohe Geschwindigkeiten. Organisatorische Maßnahmen wie der Aufbau von Nachbarschaftsnetzen oder an Planungen beteiligte Seniorenvertreter sind ebenso wichtig wie bauliche Maßnahmen. Attraktive, gut erreichbare und finanzierbare Freizeitangebote bedürfen der Kooperation von Kommunen mit Freizeit- und Verkehrsanbietern. Und oft stecken die Fehler im Detail: eine fehlende Bank zum Ausruhen, eine zu hohe Stufe oder ein zu klein gedruckter Fahrplan können schnell zur unüberwindlichen Barriere werden.

Anfang 2005 werden die Ergebnisse in einem Buch veröffentlicht. Das Projekt „FRAME: Freizeitmobilität älterer Menschen – Bedingungen, Formen und Entscheidungen“ ist eine Kooperation des Fachgebiets Verkehrswesen und Verkehrsplanung an der Universität Dortmund mit dem Psychologischen Institut und dem Geographischen Institut der Universität Bonn.

Kontakt:
Prof. Dr.-Ing. Christian Holz-Rau
Ruf: 0231 / 755 – 22 70

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Ole Lünnemann idw

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