Mensch und Natur lassen Wüsten wachsen
Die ständige Ausbreitung der Wüstenflächen auf unserem Planeten geht in den meisten Fällen auf das Zusammenwirken natürlicher Bedingungen und menschlichen Einwirkens zurück. Diesen Umstand diskutieren internationale Wissenschaftler am „Dust & Sand Storm and Desertification Symposium“, das nächste Woche in Marburg stattfindet.
Präsentiert werden dabei Forschungen zur Wüstenbildung in Zentralasien, aus der Mongolei und Indien. „Fast immer bedingen sowohl der Mensch als auch das Klima oder natürliche Gegebenheiten den Fortschritt der Desertifikation“, erklärt Tagungs-Organisator Christian Opp im pressetext-Interview.
Eine der weltweit bedeutendsten Wüstenbildung geht derzeit in Zentralasien vor sich, und zwar rund um den vertrocknenden Aralsee (pressetext berichtete: http://www.pressetext.de/news/090810003/ ) sowie in vielen anderen kleineren Flüssen und Seen der Region. „Luftmassenbewegungen haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Regenbringende Zyklone dringen nicht mehr in die Region vor, wodurch Trockenperioden viel länger dauern“, so der Marburger Geograf. Die Geschwindigkeit dieser Vertrocknung sei jedoch ohne das menschliche Einwirken nicht denkbar, wobei besonders die übermäßige landwirtschaftliche Wasserentnahme aus den Zuflüssen ins Gewicht fällt.
Dass die Vertrocknung der zentralasiatischen Gewässer Wüstenbildung nach sich zieht, geht auch auf den hohen Salzgehalt des Bodens zurück. „Die Böden sind ehemalige marine Ablagerungen, die noch vom Thetysmeer aus dem Tertiär stammen. Regenwasser spült diese Stoffe frei und hinterlässt nach der Verdunstung Salz“, erklärt Opp. In den Seen Zentralasiens, der größten abflusslosen Region der Erde, steigt mit sinkendem Wasserspiegel der Salzgehalt. Vertrocknen Gewässer wie der Aralsee, hinterlassen sie einen freiliegenden Seeboden, dessen Staub mit Salzen sowie mit Schwermetallen und Agrarchemikalien verseucht ist. „Der Wind wirbelt diese Stoffe in die Höhe und lässt auch anderswo am Boden Salzkrusten entstehen, die weiteres Pflanzenwachstum verhindern und die Wüstenbildung einleiten“, so der Wüstenexperte.
Ähnlich sei das Problem der zur Wüste werdenden Randzonen der Sahara. „Auch hier führt Erderwärmung und weniger Regenfälle in Kombination mit der übermäßigen Wasserentnahme durch den Menschen zur Austrocknung ganzer Regionen“, so Opp. Das Schicksal des Aralsees betrifft auch den Tschad-See in der Grenzregion zwischen Tschad, Kamerun, Niger und Nigeria, der seit 1960 sogar 95 Prozent seiner ursprünglichen Wasserfläche eingebüßt hat. „Das Mittelmeer verhindert, dass sich die Sahara weiter in den Norden ausbreitet, wenngleich Sandverfrachtungen auch nach Südeuropa gelangen. Die größte weitere Ausbreitung der Sahara erfolgt daher im Süden.“ In den letzten Jahrzehnten sei die Sahara ständig gewachsen.
Die Bedeutung von Wüsten reicht weit über ihre geografischen Grenzen hinaus. Das zeigt der Wüstenstaub der westlichen Sahara, der hochgewirbelt wird und mit dem atlantischen Windsystem bis weit in den Ozean, nach Südamerika und in die Karibik auf Reise geht. „In Jahren mit besonders viel Staubwirbel kommt es in der Karibik zum Korallensterben. Gleichzeitig senken Staubverfrachtungen das Hurrikan-Risiko in der Karibik, da die Staubpartikel die Sonne reflektieren, damit die Temperatur des Ozeans senken und den Hurrikanen weniger Energie liefern“, erklärt Opp.
Nur in Einzelfällen ist auch eine Rückführung von Wüste in Ackerland oder Vegetation zu beobachten. Das sei laut Opp am ehesten dort möglich, wo bestehende Wüstenoasen ausgeweitet werden. „Ein Abringen von Wüstenfläche gelingt nur dann, wenn man sehr sorgfältig und nachhaltig mit Bewässerung umgeht. Positive Beispiele sind etwa aus dem iranischen Teil Mesopotamiens bekannt. Wird eine Fläche landwirtschaftlich genutzt, kommt es auch auf ausreichende Entwässerung an, da sonst im Wasser mitgeführte Rückstände im Boden zurückbleiben und langfristig wieder zu dessen Versalzung führen.“ Global gesehen seien die Wüsten derzeit jedoch im Zunehmen, so der Marburger Geograf.
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