Mehr als lokale „Hot Spots“: Neue Erkenntnisse zur geochemischen Bedeutung von heißen Tiefseequellen

Bislang gingen Meeresforscher davon aus, dass diese sich als schwerlösliche Mineralien in der Umgebung der Quellen ablagern und daher als gelöste Mikronährstoffe für Lebewesen im offenen Ozean praktisch keine Rolle spielen.

Andrea Koschinsky, Geochemikerin an der Jacobs University, und Sylvia Sander von der neuseeländischen Otago University konnten nun zeigen, dass Metalle aus heißen Quellen auch gutlösliche organische Verbindungen bilden und so in signifikanten Mengen als bioverfügbare Spurenelemente ins offene Meer transportiert werden (Nature Geoscience, DOI: 10.1038/ngeo1088).

Heiße Quellen am Grund des Ozeans sind seit langem als „Hot Spots“ für ausgesprochen artenreiche, speziell angepasste Lebensgemeinschaften in der ansonsten lebensfeindlichen Tiefsee bekannt. An ihren Austrittsstellen wimmelt es trotz Wassertemperaturen von bis zu 400 °C geradezu vor Leben. Grund hierfür sind die hohen Konzentrationen an Nährstoffen in den hydrothermalen Lösungen, vor allem Schwefelverbindungen, die die Basis für eine ganze Nahrungskette bilden. Diese „belebende“ Wirkung der Quellen ist aber räumlich begrenzt auf den Meeresboden in einem Umkreis von einigen hundert Metern.

Hydrothermalquellen speien außerdem auch große Mengen an Metallen in den Ozean. Auch hier ging man bislang davon aus, dass sich diese Metalle fast vollständig lokal ablagern, da sich durch die Vermischung der heißen Lösungen mit dem kalten Umgebungswasser schwerlösliche mineralische Metallverbindungen bilden und als Partikel zu Boden sinken. Dort reichern sie sich auf Dauer zu wertmetallreichen Lagerstätten im Umfeld der Quellen an. Insbesondere für das Element Eisen, das im Meerwasser in gelöster Form nur in ganz geringen Konzentrationen vorkommt, jedoch für viele Lebewesen ein wichtiger Mikronährstoff ist, schien es keinen Weg aus dem Hydrothermalfeld heraus in die Weite des Ozeans zu geben.

Den beiden Meereschemikerinnen Andrea Koschinsky von der Jacobs University und Sylvia Sander von Otago University gelang nun erstmals der Nachweis, dass heiße Tiefseequellen nicht nur einen Einfluss auf biogeochemische Prozesse in ihrer unmittelbarer Umgebung haben, sondern auch die Stoffkreisläufe im offenen Ozean nicht unwesentlich beeinflussen. Sie fanden heraus, dass das Meereswasser im direkten Quellumfeld – vermutlich durch die hohe biologische Aktivität in diesem Bereich – erhöhte Konzentrationen von organischen Molekülen enthält. Diese können Metallionen binden und in sehr gut wasserlösliche Komplexe überführen. Mit der Strömung können die gelösten metallorganischen Verbindungen dann weit in das offene Meer hinaus transportiert und in die gesamte Wassersäule eingemischt werden. Dieser Prozess verhindert, dass die hydrothermalen Metalle vollständig als schwerlösliche Mineralien auf den Meeresgrund sinken und so den biologischen Stoffkreisläufen dauerhaft entzogen werden.

Zwischen 10 und 20 % des gesamten im Ozean gelösten Eisens und Kupfers ist hydrothermalen Ursprungs, so das Ergebnis der Modellrechnungen von Koschinsky und Sander, bei denen die beiden Forscherinnen einen Transport von Metallen aus heißen Tiefseequellen durch organische Moleküle zugrunde legten. Diese Größenordnung ist nach Meinung der beiden Wissenschaftlerinnen auch auf andere Metalle wie z. B. Mangan und Zink. übertragbar. „Da Eisen, aber auch viele andere Metalle wichtige Mikronährstoffe für die verschiedensten Organismen sind, können wir davon ausgehen, dass Hydrothermalsysteme einen entscheidenden Einfluss auf Bioproduktivität von Ozeanen haben, der weit über die direkt bei ihnen angesiedelten Ökosysteme hinausreicht“, kommentiert Andrea Koschinsky die Ergebnisse ihrer Studie. „Die heißen Quellen sind ein besonders interessantes Beispiel dafür, wie biologische Aktivitäten die Auswirkungen von geologischen Prozessen potenzieren oder ganz und gar verändern können“, so die Bremer Forscherin weiter.

Eine spannende Fragen für die Zukunft ist nun, ob die organischen Substanzen, die für den deutlich verstärkten Metalltransport verantwortlich sind, allein durch die Zersetzung von Biomasse vor Ort entstehen, oder ob sie möglicherweise gezielt von hydrothermalen Organismen produziert werden, um die Toxizität oder biologische Verfügbarkeit von hydrothermalen Metallen zu beeinflussen. Die Planungen für die nächsten Forschungsexpeditionen laufen bereits.

Fragen zu der Studie beantwortet:
Andrea Koschinsky | Professor of Geosciences
(http://www.jacobs-university.de/directory/akoschinsk)
Tel.: 0421 200-3567 | E-Mail: a.koschinsky@jacobs-university.de

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Dr. Kristin Beck idw

Weitere Informationen:

http://www.jacobs-university.de

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