Erdbebenfrühwarnsystem für Verkehrsinfrastrukturen

Das Forscherteam aus Karlsruhe entwickelt im Rahmen des Sonderprogramms GEOTECHNOLOGIEN ein Erdbebenfrühwarnsystem für Verkehrsinfrastrukturen, mit dem zukünftig die Folgen einer solchen Katastrophe zwar nicht verhindert doch aber gemildert werden könnten.

Die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB entwarfen gemeinsam mit Kollegen des Karlsruher Instituts für Technologie KIT einen Simulator, mit dessen Hilfe sich im Falle von Erdbeben die Ausbreitung der seismischen Wellen und die daraus folgenden Schäden simulieren und innerhalb kürzester Zeit vorhersagen lassen. Diese Informationen können an die Verkehrsleitstellen und Betreiber kritischer Infrastrukturen wie Gas- und Energieversorgern, oder chemischer Anlagen weitergeleitet werden, damit diese unmittelbar geeignete Maßnahmen ergreifen können.

Gerade bei Erdbeben ist die Frühwarnzeit extrem gering und die betroffene Fläche sehr groß. Das Epizentrum und die Stärke des Bebens werden anhand der so genannten P-Wellen identifiziert, die sich am schnellsten ausbreiten aber ein relativ geringes Schadenspotential aufweisen. Erst die langsameren S-Wellen und Oberflächenwellen bewirken kurz darauf die Zerstörungen.

Genau dieses Zeitfenster von wenigen Sekunden nutzt das neue Frühwarnsystem, um unter Abgleich mit geografischen und geologischen Daten des Gebiets eine Simulation der zu erwartenden Auswirkungen des Bebens in so genannten Beschleunigungskarten zu erstellen. Durch das Überlagern dieser Daten z. B. mit Karten der Bahnnetze lassen sich auf diese Weise Streckenabschnitte identifizieren, auf denen eine starke Schädigung zu erwarten ist. Durch sofortige Weitergabe dieser Information in Form von interaktiven Karten können von den Verkehrsleitstellen dort verkehrende Züge gewarnt und abgebremst oder sogar gestoppt werden. So lassen sich zumindest Folgeschäden durch Entgleisungen oder Abstürze von Brücken eindämmen.

Auch nach der Katastrophe liefert das System wertvolle Informationen über die zu erwartende Schadenslage: Welche Brücken könnten noch intakt sein, welche Straßen sind befahrbar, befinden sich Tunnel in dem Gebiet, welche Besiedelungen sind besonders betroffen, wie stark ist die Wasser- oder Gasversorgung zerstört? Wie können Hilfsmannschaften in das Gebiet vordringen und an welchen Stellen sind die größten Schäden zu erwarten?

Für den jetzt fertig gestellten Demonstrator haben die Forscher über 300 fiktive Erdbeben speziell für das Schienennetz in Baden-Württemberg in das System eingespeist. Durch die flexible service-orientierte Software-Architektur lässt sich das System ebenso auf andere Szenarien wie Hochwasser, Stürme oder auch Angriffe von Terroristen anpassen.

Aktuell wurde das System jetzt als „Ausgewählter Ort im Land der Ideen“ 2010 ausgezeichnet, was durch ein Informationstechnisches Kolloquium in der Betriebszentrale der Bahn und im Fraunhofer IOSB am 10. Februar in Karlsruhe entsprechend zelebriert wird. Weitere Informationen und den Link zur Anmeldung finden Sie unter: http://www.iosb.fraunhofer.de/servlet/is/31142/

Partner des Projektes:

o Institut für Straßen- und Eisenbahnwesen, Karlsruher Institut für Technologie, Abteilung Eisenbahnwesen (Koordination)
o Geophysikalisches Institut, Karlsruher Institut für Technologie
o Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB
Förderung des Projektes:
o Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
o Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
o Forschungs- und Entwicklungsprogramm Geotechnologien

Media Contact

Sibylle Wirth Fraunhofer Gesellschaft

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