Neue Arbeitsgruppe: Netzhautforschung und Optogenetik

Ein wichtiges Anwendungsgebiet der Optogenetik ist die gentherapeutische Behandlung von Netzhauterkrankungen. Auf diesem Feld kann Jens Dübel Erfolge vorweisen – am Tiermodell und in Zellkulturen. Publiziert hat er die Ergebnisse gemeinsam mit Forscherkollegen im Juli 2010 im renommierten Fachjournal „Science“, noch in seiner Zeit am Friedrich-Miescher-Institut in Basel in der Arbeitsgruppe von Botond Roska.

Vorgestellt wurde eine erfolgreiche Gentherapie bei Mäusen, die der Forschung als Modell für die Augenkrankheit Retinitis pigmentosa dienen. An dieser Erkrankung leiden weltweit mehr als zwei Millionen Menschen; allein in Deutschland gibt es 30.000 bis 40.000 Betroffene. Die Ursachen für diese Erbkrankheit sind vielfältig, doch das Leiden verläuft bei den meisten Patienten ähnlich.

In einer ersten Phase sterben im Auge die hoch empfindlichen Stäbchenzellen ab, die das Sehen bei schwacher Beleuchtung ermöglichen. Die so genannten Zapfen, die für das Sehen bei Tageslicht und für das Farbsehen verantwortlich sind, bleiben länger erhalten, verlieren aber zunehmend ihre Lichtempfindlichkeit. Dadurch lässt die Sehkraft der Patienten immer weiter nach, oft bis zur vollständigen Erblindung. Eine Heilung der Krankheit ist bislang nicht möglich.

Ionenpumpe für die Gentherapie

Der Forschungsgruppe des Friedrich-Miescher-Instituts ist es mit einer Gentherapie am Mausmodell gelungen, beschädigte Zapfen wieder zu aktivieren. Die Wissenschaftler nahmen ein Gen für eine lichtempfindliche Ionenpumpe (Halorhodopsin) aus einem Bakterium und schleusten es in die Zapfen blinder Mäuse ein. Danach reagierten diese Zellen wieder auf Licht und leiteten Signale an die Nervenzellen in der Netzhaut weiter.

„Unsere Messungen ergaben, dass durch die Gentherapie auch komplexe Funktionen der visuellen Informationsverarbeitung in der Netzhaut wieder aktiviert wurden, beispielsweise die Wahrnehmung von Kontrasten und gerichteten Bewegungen“, sagt Jens Dübel. Verhaltensexperimente hätten außerdem gezeigt, dass die Mäuse wieder einfache Aufgaben bewältigen konnten, für die sie ihre Sehfähigkeit benötigen.

Methode funktioniert auch in Netzhaut des Menschen

Lässt sich die Methode auch bei der Netzhaut des Menschen anwenden? Das haben die Forscher aus Basel in Zusammenarbeit mit Kollegen vom Institut de la Vision in Paris getestet: In ersten Experimenten an Zellkulturen aus lichtunempfindlichen Netzhäuten gelang es tatsächlich, die bakterielle Ionenpumpe zu aktivieren. Die behandelten Zellen reagierten danach wieder auf Licht.

Jens Dübel ist überzeugt, dass die Gentherapie bei Augenkrankheiten Zukunft hat: In den USA sei mit einer ähnlichen Methode bei Patienten, die an der erblichen Augenkrankheit LCA leiden (Leber‘s congenital amaurosis), bereits eine deutliche Verbesserung der Sehfähigkeit erzielt worden.

„Die Kollegen in den USA verwenden für ihre erfolgreiche Gentherapie den gleichen Vektor wie wir“, sagt Dübel. Mit Vektor meint er eine Art Taxi, das die „heilenden“ Gene in die „kranken“ Zellen transportiert – in diesem Fall ist das Taxi ein adeno-assoziiertes Virus. „Es konnten bisher keinerlei krankheitserregende Eigenschaften, nachgewiesen werden, und rund 80 Prozent der Menschen tragen es ohnehin schon in sich“, so der Forscher.

Zur Person von Jens Dübel

Jens Dübel, geboren 1972 in Hanau, hat in Darmstadt und Marburg Biologie studiert. Seine Doktorarbeit fertigte er in der Abteilung Biomedizinische Optik des Max-Planck-Instituts für Medizinische Forschung in Heidelberg an. Als Postdoc ging Jens Dübel in die Arbeitsgruppe Netzhautforschung unter der Leitung von Botond Roska am Friedrich-Miescher-Institut für Biomedizinische Forschung in Basel. Von dort wechselte er zum April 2011 an die Universität Würzburg. Hier wird er eine eigene Forschungsgruppe aufbauen, um unter anderem optogenetische Methoden zur Netzhauttherapie weiterzuentwickeln.

Kontakt: Dr. Jens Dübel, Institut für Klinische Neurobiologie der Universität Würzburg, T (0931) 201-44030, Duebel_J@klinik.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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