Segeln statt Flattern: auch kleine Zugvögel nutzen den Gleitflug um Energie zu sparen

Der europäische Bienenfresser im Flug<br>Bild: Jorge Rodrigues<br>

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell und der Ben-Gurion-Universität des Negev beobachteten erstmals europäische Bienenfresser (Merops apiaster) auf ihrer Zugroute mithilfe von Radiotransmittern. Messungen der Herzraten, der Fluggeschwindigkeit und der Flugart ergaben, dass auch diese kleinen Vögel zeitweise im Gleitflug fliegen. Sie werden dabei nicht langsamer und sparen sogar mehr Kraftreserven als größere Arten. (PLoSOne, 11. November 2010)

Wenn wir an Vögel denken, die majestätisch ohne einen Flügelschlag durch die Luft gleiten, stellen wir uns große Arten vor wie den Weißstorch oder einen Greifvogel auf der Futtersuche. Diese Flugmuster großer Zugvögel wurden bereits genau untersucht. Ornithologen wissen viel über ihre Fluggeschwindigkeit, die zurückgelegten Entfernungen und den Anteil verschiedener Flugtechniken während des Zuges. Bei kleineren Vögel nahmen sie lange an, sie könnten wegen ihrer geringen Muskelkraft und der kleineren Flügel nicht im selben Maße gleiten und Kraftreserven sparen. Der Gleitflug reduziere die Geschwindigkeit im Vergleich zum Flug mit dauerndem Flügelschlag, so die Annahme.

Nun untersuchten Wissenschaftler der Ben-Gurion Universität des Negev, der Universität Jerusalem und Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell erstmals den Energieverbrauch kleiner Zugvögel im Freiland. Sie fingen einige Exemplare des europäischen Bienenfressers in Israel und befestigten kleine Sender auf dem Rücken. Mit den empfindlichen Geräten konnten sie jeden Flügelschlag, die Herzrate und die Fluggeschwindigkeit messen. Um den Energieaufwand bestimmen zu können, ermittelten die Forscher im Labor, dass die Herzschlagrate der Vögel ein Indikator für den Sauerstoffverbrauch ist und dass die gemessenen Werte Rückschlüsse auf den Energieverbrauch während des Fluges zulassen.

„Bei der Auswertung der Messergebnisse waren wir überrascht zu sehen, dass die Bienenfresser häufig zwischen Segelflug und Ruderflug wechselten und dass zudem die Herzschlagfrequenz während des Segelfluges nur halb so groß war“, sagt Martin Wikelski. „Die Vögel benötigen beim Gleiten ebenso wenig Energie wie im Ruhezustand auf einem Ast oder im Nest.“ In voran gegangenen Studien zu größeren Zugvögeln wurde dagegen eine um 30 Prozent höhere Herzrate beim Gleitflug als beim Rasten gemessen. Diese Flugtechnik stellt also für kleine Zugvögel eine deutlich höhere Kraftersparnis dar als für größere Arten. Auch ein Geschwindigkeitsverlust konnte nicht festgestellt werden.

Das Ergebnis dieser Studie beantwortet nicht nur die Frage, ob auch kleine Zugvögel während ihrer langen Reise segeln oder gleiten können: Sie sind dabei sogar gleich schnell und verbrauchen weniger Kraftreserven.

Originalveröffentlichung:

Nir Sapir, Martin Wikelski, Marshall D. McCue, Berry Pinshow & Ran Nathan
Flight modes in migrating European bee-eaters: Heart rate may indicate low metabolic rate during soaring and gliding

PLoSOne 5(11): e13956.doi:10.1371/journal.pone.0013956

Kontakt:

Nir Sapir
The Hebrew University of Jerusalem
Department of Evolution, Systematics and Ecology
Tel: +972 2 6586080
Fax: +972 2 6584655
E-Mail: Nir.sapir@mail.huji.ac.il
Prof. Dr. Martin Wikelski
Max-Planck-Institut für Ornithologie, Radolfzell
Tel.: +49 7732 1501-62
E-Mail: martin@orn.mpg.de
Leonore Apitz
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Ornithologie, Radolfzell
Tel.: +49 7732 1501-77
E-Mail: apitz@orn.mpg.de

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