Keinen Stich mehr in den Finger

Schätzungsweise rund 300'000 Personen, d.h. vier Prozent der Schweizer Bevölkerung, sind an Diabetes erkrankt; davon sind rund 30'000 Typ-1-Diabetiker. Bei diesen Menschen besteht ein grosses Risiko für eine lebensbedrohliche Ketoazidose, bei welcher der Stoffwechsel aus Mangel an Insulin entgleist. In diesem Fall steigt die Konzentration von Azeton in der Atemluft erheblich. Zwar atmen auch gesunde Menschen Azeton aus, die Konzentration beträgt jedoch nur rund 900 ppb (Partikel pro Milliarde). Bei Personen, die an Diabetes Typ 1 leiden, sind es fast doppelt so viele. Im Fall einer Ketoazidose liegt der Wert sogar noch höher.

Forschern der ETH Zürich ist es nun gelungen, einen Sensor zu entwickeln, der selbst bei extrem hoher Luftfeuchtigkeit von über 90 Prozent – wie sie die Atemluft aufweist – noch sehr präzise arbeitet und selbst 20 ppb Azeton messen kann. Den neuartigen Sensor stellen Prof. Sotiris Pratsinis vom Institut für Verfahrenstechnik der ETH Zürich und seine Mitarbeiter in der neusten Ausgabe der Fachzeitschrift „ACS Analytical Chemistry“ vor.

Nanosensor aus der Flamme

Die Wissenschaftler haben den Sensor aus einem mit Gold-Elektroden versetzten Trägermaterial gebaut und es mit einem hauchdünnen Halbleiter-Film aus Wolframoxid-Nanopartikeln beschichtet. Um die Empfindlichkeit des Sensors zu verbessern, fügten die Forschenden Silikon bei. Die Mixtur wird in einer über 2200 Grad heissen Flamme hergestellt. Dabei steigen die Nanopartikel in einer Wolke auf und haften am Trägersubstrat, welches die Forschenden gleichzeitig mit Wasser abkühlen. Durch dieses rasche Erhitzen und Abkühlen entsteht eine glasartige Halbleiter-Schicht auf der Elektrode.

Mit hochauflösenden Elektronenmikroskopen beobachten die Wissenschaftler, ob das aufgedampfte Material eine ungewöhnliche, schwammartige Struktur aufweist. In diesen Poren verfangen sich die Azetonmoleküle und beginnen mit dem Wolframoxid zu reagieren. Ist in der Atemluft viel Azeton enthalten, sinkt der elektrische Widerstand des Materials. Zwischen den Elektroden fliesst mehr Strom und erzeugt ein entsprechend starkes Signal. Bei geringen Azeton-Konzentrationen hingegen bleibt der Widerstand bestehen.

Künftig auch andere Krankheiten nachweisen

Für Diabetes-Patienten wäre ein handliches, leicht zu bedienendes, Gerät ein grosser Fortschritt. Sie könnten damit einfach und unkompliziert ihren eigenen Blutzuckerspiegel bestimmen. Bis heute müssen sie dafür eine Blutprobe nehmen. Mit dem neuen Gerät würde der tägliche Stich in die Fingerkuppe entfallen. Der Sensor könnte auch in Notfallstationen von Spitälern gute Dienste leisten. Dort liesse sich unkompliziert feststellen, ob ein Patient eine diabetische Ketoazidose erlitten hat. Noch liegt der Sensor erst als Prototyp vor. «Wir suchen zurzeit nach einem Partner aus der Medizin, um daraus ein alltagstaugliches Messgerät zu entwickeln», sagt Sotiris Pratsinis. Der ETH-Professor hofft zudem, dass er in Zukunft auch andere Krankheiten mit seinem neuen Sensor in der Atemluft nachweisen kann.

Neue Diagnose-Möglichkeiten

Nichtinvasive Methoden zur Diagnose von Krankheiten werden immer wichtiger. Die Analyse der Atemluft ist dabei zentral. Sie ist schnell, billig und einfach anzuwenden. Die Atemluft besteht zur Hauptsache aus einer Mischung von Stickstoff, Sauerstoff und Kohlendioxid, Wasser und aus über 1000 flüchtigen Stoffen, die teils nur in sehr kleinen Konzentrationen vorliegen. Darunter sind auch flüchtige organische Verbindungen, die der Körper selbst produziert. Einige sind typisch für bestimmte Krankheiten und dienen als Marker, wie eben Azeton für Diabetes Typ 1.

Media Contact

Claudia Naegeli, idw

Weitere Informationen:

http://www.ethz.ch

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