Museumsforscher entschlüsseln Wirkung antiker Räume

Die Entwicklung der Gesellschaft und ihrer Medien verändert auch unser Bild von der Vergangenheit. Der groß angelegte interdisziplinäre Exzellenzcluster Topoi beschäftigt sich eingehend damit, wie das Wissens über Räume für die Antike anwendbar gemacht werden kann.

Mehr als 200 Berliner Wissenschaftler – unter anderem Archäologen, Philosophen, Kunsthistoriker, Philologen – sind in dieses bis 2012 dauernde Projekt eingebunden. Erste Zwischenberichte erlauben Einblick in die Vermittlungsgeschichte antiker Räume. Nach Abschluss des Projekts sollen die Ergebnisse in einer Ausstellung öffentlicht gemacht werden.

Lange Zeit nährten Reiseberichte und Karten als einzige Quellen über die Antike das Bild eines „versunkenen“ Zeitalters. „Um 1800 kamen schließlich tischhohe Tempelmodelle in Mode. Als das nicht mehr funktionierte, baute man antike Monumente in tatsächlicher Größe nach“, sagt die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy im pressetext-Interview. Ihr Team spezialisiert sich auf die Erforschung der musealen Präsentations- und Inszenierungsformen im Lauf der Zeit. Während die originale Nachbildung des Pergamon-Altars oder des Ischtartors dem Museumsbesucher Atmosphäre vermitteln wollen, sei dies bei dem breiten Spektrum an heutigen Visualisierungsmöglichkeiten jedoch problematisch, so Savoy.

Digitale Medien halten Einzug in Museen und ermöglichen es, die Antike im Auge des Betrachters dreidimensional entstehen zu lassen. Einen Ersatz für das tatsächliche Erleben und für die Aura des authentischen Originalobjekts bilden sie jedoch nicht, so das Credo der Forscher.

Gefühle spielen für die Erkenntnisgewinnung im Museum eine wichtige Rolle, unter denen Savoy besonders die Ergriffenheit und Würde des musealen Raumes hervorhebt. „Das Museum als Tempel und die antike Kunst als Religion bestimmen als Topoi seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert den Diskurs über Museen“, so Savoy. Diesen Anspruch der Museen als Kunsttempel zeige sich unter anderem in architektonischen Elementen des Londoner British Museum, des Alten Museums in Berlin oder des Museo Pio-Clementino im Vatikan. Alle drei Museen beinhalten Anspielungen auf die Konstruktion des römischen Pantheons, so Savoy.

Einen weiteren Forschungsbereich bilden die Zusammenhänge zwischen Objekt und Raum. Etwa bei der Präsentation ägyptischer Kunstwerke stellt sich für das Museum die Frage nach der geeigneten Raumgestaltung. „Früher versuchte man, den verlorenen ursprünglichen Raum durch ägyptisierende Raumfiktionen in Museen zu kompensieren. Heute neigt man eher dazu, die Aura der einzelnen authentischen Werke in Szene zu setzen“, so Savoy. Im ägyptischen Museum Berlin, das 2009 nach dem Umbau des Neuen Museums auf der Museumsinsel seine Pforten öffnet, werden Besucher erstmals zwei Grabkammern betreten können, deren Wände auseinandergenommen sind und die durch gezielte Lichtführung ägyptische Atmosphäre rekonstruieren.

Savoy wertet die Arbeit ihrer Gruppe im Rahmen des Topoi-Projekts als Zeichen dafür, dass die Museen in der Generierung und Transformation von Wissen eine immer sichtbarere Rolle spielen. „Das Interesse der Gesellschaft für die Antike boomt“, so die Kunstgeschichtlerin. In Zeiten der Globalisierung erinnere man sich gerne an vergangene Epochen, die bereits ebenfalls globale Elemente aufgewiesen hätten, vermutet Savoy.

Media Contact

Johannes Pernsteiner pressetext.deutschland

Weitere Informationen:

http://www.topoi.org

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