SFB 564 – Der Armut das Wasser abgraben

Nachhaltigkeit nicht als Luxus, sondern als unabdingbare Waffe gegen den Kreislauf der Armut: Der Sonderforschungsbereich „Nachhaltige Landnutzung und ländliche Entwicklung in Bergregionen Südostasiens“ geht nach seinem Start im Jahr 2000 in seine dritte Phase. Seine Kennzeichen: interdisziplinäre und bevölkerungsnahe Forschung. „Wir sind sehr stolz darauf, dass der Erfolg dieses in Größe und Ausrichtung außergewöhnlichen Projektes von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gewürdigt wird“, so Prof. Dr. Karl Stahr, einer der Forschungsleiter und Bodenwissenschaftler an der Universität Hohenheim. 5,1 Mio. Euro erhalten die Wissenschaftler der Universität Hohenheim bis 2009 für ihre Forschungsvorhaben in Thailand und Vietnam.

Wenn die mediale Aufmerksamkeit wieder einmal auf Südostasien gerichtet ist, dann zumeist im Zusammenhang mit Naturkatastrophen und Armut. Oft ist es der Mensch selbst, der durch die Bewirtschaftung sensibler ökologischer Gebiete die Probleme verursacht. In den strukturell benachteiligten Bergregionen Thailands und Vietnams leidet die Bevölkerung besonders unter den Folgen falscher Landnutzung. So führen Monokulturen oder die Bestellung von Hanglagen zu Bodenerosion, der übermäßige Einsatz von Chemikalien zu einer Grundwasserverseuchung.

Die Ursache für diese Verhaltensweise ist die Notwendigkeit der Nahrungsmittelproduktion für eine arme Landbevölkerung. Doch das Resultat ist oft ein Raubbau an der Natur, der eine abnehmende Produktivität und noch mehr Armut zur Folge hat. „Soziale und ökonomische Faktoren sind eng mit naturwissenschaftlichen Zusammenhängen verknüpft. Hier gilt es, den Menschen diese Zusammenhänge aufzuzeigen“, so Prof. Dr. Stahr.

Bislang herausragende Ergebnisse seien vor allem die Diversifikation von Anbaupflanzen und die Veränderung von Erntezeiten. „Es macht einen großen finanziellen Unterschied, ob man Mango erntet, wenn alle ernten, oder ob sie dies zu Jahreszeiten tun, in dem Mango auf dem Weltmarkt Mangelware ist“, so Prof. Dr. Stahr. Gleichzeitig werde durch wechselnde Anbaupflanzen die Qualität des Bodens verbessert und damit gefährliche Erosion verhindert.

Die Berücksichtigung der politischen Strukturen und die Beratung politischer Entscheidungsträger ist ein wichtiger Erfolgsfaktor des Forschungsprojektes. So konnte das Projekt die staatlichen Institutionen überzeugen, Mikrokredite einzuführen. „Mit diesen Kleinstkrediten können die Bauern sich technisches Equipment zulegen, mit dem die nachhaltige Bewirtschaftung der Ackerflächen überhaupt erst möglich ist“, betont der Hohenheimer Wissenschaftler.

Seit Beginn des Forschungsprojektes im Jahre 2000 arbeiten Wissenschaftler verschiedenster Fachbereiche eng zusammen. „Dieses erfolgreiche Modell werden wir in der kommenden Projektphase in 16 Teilprojekten weiterführen“, so Prof. Dr. Stahr. Dazu betreibt jeder Wissenschaftler erst Grundlagenforschung auf seinem Gebiet, dann werden die Erkenntnisse als Grundlage interdisziplinärer Forschung verwendet.

So sitzen beispielsweise bei der Erforschung optimaler Anbaumethoden Agrarwissenschaftler, Hydrologen, Bodenkundler und Sozialwissenschaftler in einem Boot. Der Agrarwissenschaftler ermittelt den benötigten Wasserbedarf für eine Obstplantage, der Bodenkundler sucht den optimalen Bodenstandort, der Hydrologe forscht zur Stabilität des Wasserkreislaufes, der Ökonom ermittelt die Zahlungsbereitschaft der Bauern für Grundwasser und der Soziologe forscht zu sozialen Konflikten, die sich aus der konkurrierenden Wassernutzung ergeben. „Die Breite unseres Forschungsansatzes ist international betrachtet außergewöhnlich“, betont Prof. Dr. Stahr.

Der Partizipationsgedanke spielt eine wichtige Rolle in der Forschungsarbeit. „Wir binden die Menschen in unsere Forschung mit ein, statt über ihre Köpfe hinweg zu diskutieren“, so der Hohenheimer Bodenwissenschaftler. „Denn nur wenn es gelänge, die Wahrnehmung der Menschen nachzuvollziehen, käme man zu angemessenen Lösungen“, so der Hohenheimer Wissenschaftler weiter. Die Erfahrungen und Entscheidungspräferenzen der Bauern, beispielsweise bei Fragen des Einsatzes von Chemikalien, werden in speziellen Befragungen ermittelt.

Der Partizipationsgedanke bedeutet auch, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. So bestehen enge Kooperationen mit nationalen Universitäten in Thailand und Vietnam. Gleichzeitig durchlaufen viele asiatische Studenten Hohenheimer Master- und Doktorandenprogramme. „Wir bauen dort funktionierende Strukturen auf. Es darf nicht sein, dass alles zusammenbricht, wenn unsere Wissenschaftler irgendwann einmal die Koffer packen“, so der Projektleiter.

In den bisherigen Forschungsarbeiten wurden zahlreiche Schlüsselparameter ermittelt, um regionale Zusammenhänge, wie zwischen Wassernutzung, Produktivität und sozialen Konflikten, herzustellen. „Unser Ziel ist es, ein Computermodell zu entwickeln, in dem wir wie in einem Klimamodell an verschiedenen Fäden ziehen können, um den optimalen Einsatz der Ressourcen zu ermitteln. Die Herausforderung ist dabei, zusätzlich zu naturwissenschaftlichen Gesetzen menschliche Verhaltensweisen mit einzubeziehen. Das erhöht die Komplexität gegenüber einem Klimamodell um ein Vielfaches“, sagt Prof. Dr. Stahr. Weltweit gebe es bislang noch kein funktionierendes Modell dieser Art, so der Hohenheimer Forscher weiter.

SFB 564: http://www.troz.uni-hohenheim.de/research/SFB564_2

Kontaktadresse (nicht zur Veröffentlichung):
Prof. Dr. Karl Stahr, Universität Hohenheim, 70593 Stuttgart
Tel.: 0711 459-3981, Email: kstahr@uni-hohenheim.de

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Florian Klebs idw

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