Vertrauen im neuen globalen Agrarmarkt: "Meet the Farmer"

Doch wer heute auf dem dynamischen globalen Agrarmarkt erfolgreich produzieren will, muss sich nach den Qualitätsstandards richten, die den Vorstellungen der europäischen Handelsketten und Verbraucher entsprechen. Die Frankfurter Humangeografen Prof. Peter Lindner und Stefan Ouma M.A. berichten über Umbrüche, Probleme ebenso wie Chancen, die dies für Anbauregionen insbesondere in Ghana mit sich bringt.

Der Beitrag ist in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ erschienen, in dem Wissenschaftler der Goethe-Universität das internationale Jahr des Planeten Erde interdisziplinär beleuchten.

Da Lebensmittelkrisen wie BSE, Schweinepest, Vogelgrippe und der „Gammelfleischskandal“ das Vertrauen der Verbraucher in den Agrarmarkt erschüttert haben, verwenden Produzenten und Einzelhändler heute mehr Anstrengungen als jemals zuvor darauf, der verunsichernden Anonymität global organisierter Produktion dadurch entgegenzuwirken, dass sie soziale Nähe zum Erzeuger herstellen. Bei Produkten aus der heimischen Region suggerieren Herkunftszertifikate Verlässlichkeit, doch wie können Bauern aus Afrika agieren, um eine Bindung zum Konsumenten aufzubauen?

Initiativen wie „Caretrace: Meet the Farmer“ versuchen beispielsweise Vertrauen zu schaffen, indem sich der Verbraucher im Internet über den individuellen Produzenten informieren kann. Lindner erläutert, wohin der Trend geht: „Im Zuge der Globalisierung vollziehen sich diese tief greifenden Veränderungen sowohl in der landwirtschaftlichen Produktion als auch im internationalen Agrarhandel. Neue Konsummuster, eine steigende Nachfrage nach Convenience- und Just-in-time-Produkten und ein zunehmend oligopolistisch organisierter Lebensmitteleinzelhandel zählen dazu ebenso wie eine schnell steigende Zahl von Hygiene-, Sozial- und Umweltstandards sowie neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Staaten, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen.“

Einen der dynamischsten Sektoren der global organisierten Landwirtschaft stellt die Erzeugung hochwertiger Gartenbauprodukte wie Frischgemüse und -obst sowie Schnittblumen dar; allein der Handel von frischem Obst und Gemüse stieg innerhalb der letzten 25 Jahren um mehr als 240 Prozent. In Afrika zählen insbesondere Kenia und Ghana zu den „Erfolgsgeschichten“: Kenia lieferte im Jahr 2007 Gartenbauprodukte für 642 Millionen Euro in die 15 Staaten der „alten“ EU, Ghana für 99,4 Millionen Euro. Ghana, das im letzten „Doing Business-Report“ der Weltbank als „Top Reformer“ bezeichnet wird, forciert eine Anpassung an die neuen Rahmenbedingungen des globalen Agrarmarkts und bezeichnet seine Landwirtschaft in Imagebroschüren als „Ready for Take Off“.

Lindner und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Stefan Ouma haben im Sommer zwei Agrarproduzenten in Ghana genauer betrachtet. Die erste Firma hat sich auf „Just-in-Time“-Lieferung spezialisiert: Binnen zwölf Stunden werden Ananas, Mangos, Papayas und weitere Früchte frisch geerntet direkt vor Ort weiterverarbeitet und anschließend per Luftfracht nach Europa exportiert. „Das 1998 gegründete Unternehmen verfügt inzwischen über eine Zuliefererbasis von 116 Klein- und Mittelbauern im Süden Ghanas und wirkt in seiner Stammregion als Wirtschaftsmotor“, so Lindner. Doch die Kooperationen sind fragil: Weil es sich um „Flugware“ handelt, droht die britische „Soil Association“ 2007 damit, diesen Produkten keine „biologische Zertifizierung“ mehr zu gewähren. Strategisches Engagement und engagierte Lobbyarbeit konnten die Gefahr vorerst jedoch abwenden. Dazu der Frankfurter Humangeograf: „Das Beispiel zeigt, wie stark die Handlungsoptionen und Perspektiven der Marktintegration lokaler Akteure von Marktmachern im globalen Norden bestimmt werden.“ Das zweite ghanaische Unternehmen hat als Marktlücke biozertifizierte Mangos entdeckt und integriert abgelegene Regionen mit derzeit 1.300 Kleinbauern in den globalen Agrarmarkt. Ohne gezielte Förderung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit internationaler Organisationen wäre dies kaum möglich – dazu Lindner: „Die Verträge wurden wesentlich von einer niederländischen Entwicklungsorganisation mit ausgearbeitet, die dann auch einen Teil der für die Anfangsinvestitionen nötigen Kredite bereitstellte, so können beispielsweise Setzlinge, Dünger, landwirtschaftliche Geräte und Bewässerungssysteme finanziert werden. Um eine Verschuldungsspirale zu verhindern, erhalten die Bauern die Kredite zinsfrei, müssen bis zur ersten Ernte nach fünf Jahren nicht mit der Tilgung beginnen und zahlen auch später immer nur einen Prozentsatz der tatsächlich erzielten Erlöse zurück.“

Informationen: Prof. Peter Lindner, Institut für Humangeographie, Campus Bockenheim, Tel. (069) 069/798-22663, plindner@ uni-frankfurt.de

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Ulrike Jaspers idw

Weitere Informationen:

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