Altern als Chance begreifen: Bochum-Dortmunder Wissenschaftsverbund entwickelt Strategien für morgen

Deutschland altert – und das Ruhrgebiet nimmt diese Entwicklung um gut fünf Jahre vorweg. Viele Familien und qualifizierte junge Leute wandern ins Umland ab, der Anteil an alten Menschen, Armen und Ausländern nimmt überdurchschnittlich zu. Das stimmt Viele pessimistisch. Forscher hingegen begreifen es als einmalige Chance: Mit guten Ideen und innovativen Strategien wollen sie dem demografischen Wandel begegnen und das Revier zur Modellregion machen, die in Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht. Dazu haben sich Bochumer und Dortmunder Wissenschaftler zum Verbund „Gesellschaftlicher Wandel und Zukunft des Alterns“ (ZudA) zusammengeschlossen (Koordination: Prof. Dr. Rolf G. Heinze, RUB, Prof. Dr. Gerhard Naegele, Uni Dortmund). Unter diesem Dach werden die Beteiligten gemeinsam forschen, einen universitätsübergreifenden Masterstudiengang, eine themenbezogene Graduate School und zwei Summer Schools ins Leben rufen, sowie eine Clearingstelle für den Praxistransfer und eine Online-Informationsbörse einrichten. Die Stiftung Mercator unterstützt das Kooperationsprojekt für zwei Jahre mit 365.000 Euro.

Vermeintlicher Abstieg bietet Chancen

„Bei der Debatte um den vermeintlichen Abstieg des Ruhrgebiets wird übersehen, dass die Region ein demografisches Experimentierfeld für die Bundesrepublik ist“, unterstreicht Prof. Heinze (Lehrstuhl für Soziologie der RUB). „Unser gemeinsames Ziel ist es, das Altern der Gesellschaft nicht als Krise und Problem zu sehen, sondern als Quelle von Potenzialen zu begreifen“, fasst Prof. Naegele von der Universität Dortmund zusammen. Wenn es hier gelinge, den Wandel produktiv zu bewältigen, könnte die Region zu einem Modell der Generationensolidarität werden, das auch für andere Regionen wegweisend ist, sind die Forscher sicher. Die Trendwende könne gelingen, wenn die regionalen Akteure die demografische Herausforderung offensiv angehen und frühzeitig Lösungen erarbeiten und erproben. Vor dieser Aufgabe steht auch die Wissenschaft: Sie muss Konzepte und innovative Ansätze entwickeln, die Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit in alternden Gesellschaften in den Mittelpunkt stellen.

Probleme der Alten von morgen lösen

Dabei geht es einerseits darum, eine Umgebung zu schaffen, in der sich Ältere wohlfühlen und sich gut aufgehoben wissen, zum Beispiel durch entsprechende Wohnmöglichkeiten und bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung. Wichtig ist es aber auch, die Region für Jüngere und Familien anziehend zu machen. Dafür braucht es zum Beispiel attraktive Arbeitsplätze und eine kinderfreundliche Infrastruktur. Die Probleme der Jungen von heute in sozial gefährdeten Lebenslagen sind die Probleme der Alten von morgen, die bald gelöst sein wollen. Dazu gehört etwa die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Um in diesen Fragen voranzukommen, bündelt der Verbund „Gesellschaftlicher Wandel und Zukunft des Alterns“ die wissenschaftlichen Aktivitäten im Ruhrgebiet unter einer disziplinenübergreifenden Perspektive und entwickelt daraus Lösungsvorschläge.

Junge Forscher sensibilisieren

Ein besonderes Interesse des Wissenschaftsverbunds ist es, auch künftige Forschergenerationen für den demografischen Wandel und seine Folgen zu sensibilisieren. Deshalb wird eigens für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Ruhrregion ein zusätzliches Lehrangebot entwickelt. Für die Studierenden der Universitäten Bochum und Dortmund wird der Masterstudiengang „Alternde Gesellschaften“ konzipiert, der interdisziplinär angelegt ist. Für Absolventen, die sich für eine wissenschaftliche Karriere entschieden haben, bietet die „Ruhr-Graduate School on Ageing“ Programme für weiterführende Studien und eine eigenständige Betreuungsstruktur für herausragende Promovenden im Themenfeld des Wissenschaftsverbundes an. Im Oktober 2007 startet die erste Summer School, die nicht nur für Studierende, sondern auch für interessiertes Publikum geöffnet ist (Informationen und Programm: http://www.rub.de/zuda).

Kooperation und Transfer fördern

Neben der Ausbildung junger Forscher haben sich die Forscher auch die Verbesserung der Kooperation untereinander und den Transfer ihrer Forschungsergebnisse in die Praxis vorgenommen. Zu diesem Zweck baut der Verbund eine Transfer- und Clearingstelle auf: Diese bietet eine Online-Informationsbörse an und führt regelmäßig Symposien zu ausgewählten Themen durch. Eine Ideenwerkstatt lädt Praktiker dazu ein, gemeinsam mit den Forschern des Wissenschaftsverbunds innovative Gestaltungsprojekten anzustoßen. In einer Weiterbildungsakademie werden Demografie-Module für die berufsbegleitende Qualifizierung entwickelt. „Der Forschungsverbund verfolgt mit den unterschiedlichen Bausteinen eine interdisziplinäre Bündelung der Ideen und Konzepte, wie es bisher den in der Region tätigen wissenschaftlichen Institutionen kaum gelungen ist“, betonte Prof. Dr. Eberhard Becker, Rektor der Universität Dortmund. „Der Verbund zeigt, dass hier nicht Wissenschaft im Elfenbeinturm gemacht wird, sondern Forschung, die in praxisrelevante Ansätze transferiert werden kann und deshalb auch nachgefragt wird“, sagte Prof. Dr. Peter Awakowicz, Prorektor für Forschung und Wissenstransfer der Ruhr-Universität Bochum.

Verbundpartner

Projektpartner sind Prof. Dr. Rolf G. Heinze, Prof. Dr. Ludger Pientka und PD Dr. Josef Hilbert von der Ruhr-Universität Bochum sowie Prof. Dr. Gerhard Naegele von der Universität Dortmund. Projektkoordination und -sekretariat sind am Lehrstuhl von Prof. Heinze angesiedelt. „Dieses Gemeinschaftsprojekt stellt aus unserer Sicht einen Meilenstein für das Zusammenwachsen der Wissenschaft im Ruhrgebiet dar“, sagte Robert Faulstich, Geschäftsführer der Stiftung Mercator GmbH. „Der Verbund vernetzt die Kompetenzen der hervorragenden Wissenschaftler, über die wir glücklicherweise in unserer Region verfügen.“

Weitere Informationen

Dr. Anja Hartmann, Lehrstuhl für Arbeits- und Wirtschaftssoziologie, Verbundprojekt ZudA, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-25421, Fax 0234/32-14285, E-Mail: anja.hartmann@rub.de

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.rub.de/zuda

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