Ältere Arbeitslose – untererfasst, mit geringen Rückkehrchancen und drohender Altersarmut

Zu diesen Ergebnissen gelangen Heribert Engstler vom Deutschen Zentrum für Altersfragen, Berlin, und Martin Brussig vom Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen, nach einer Sichtung und Auswertung aktueller Daten der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Rentenversicherung.

Weniger als ein Sechstel der Bezieher von Arbeitslosengeld I oder II im Alter ab 58 Jahren sind in der offiziellen Arbeitslosenstatistik enthalten, da die meisten Erwerbslosen dieses Alters die Möglichkeit des „erleichterten Leistungsbezugs“ in Anspruch nehmen, bei dem sie der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen müssen. Zählt man noch diejenigen Arbeitslosen hinzu, die an „entlastenden“ Maßnahmen der Arbeitsagenturen teilnehmen, insbesondere die vielen „1-Euro-Jobber“, ist gegenwärtig eher von 1,4 bis 1,5 Mio. Arbeitslosen ab 50 Jahren auszugehen als von den offiziell ausgewiesenen 1,1 Millionen. Das Ausmaß der Altersarbeitslosigkeit hat sich – so die Autoren in einem Beitrag zum Themenheft „Ältere Arbeitnehmer“ der Zeitschrift „informationsdienst altersfragen“ – in den vergangenen Jahren nicht verringert, lediglich ihre Zusammensetzung aus offener und verdeckter Arbeitslosigkeit geändert. Mehr als die Hälfte der älteren Arbeitslosen sind Langzeitarbeitslose, nur ein Drittel von ihnen kehrt in eine Beschäftigung zurück.

Die soziale Absicherung der älteren Langzeitarbeitslosen hat sich durch die Einführung des SGB II und die Verkürzung der Bezugsdauer von ALG I insgesamt verschlechtert. Bereits 2005 erfolgten rund 30 Prozent der Abgänge aus dem Bezug von ALG I wegen Erreichens der maximalen Bezugsdauer. Mit einem weiteren Anstieg ist zu rechnen. Aufgrund der enger gefassten Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von ALG II, insbesondere der Einkommensanrechnung, liegt zudem die Regelleistung der Grundsicherung – auch unter Hinzurechnung des befristeten Zuschlags, den viele ältere Langzeitarbeitslose erhalten – um etwa ein Drittel unter dem Niveau der früheren Arbeitslosenhilfe.

Wegen der geringen Chancen einer Wiederbeschäftigung bedeutet der Wechsel in die Arbeitslosigkeit für den Großteil der älteren Arbeitskräfte den Abschied aus dem Berufsleben und den vorzeitigen Ruhestand. Mehr als 70% der Rentenzugänge des Jahres 2004 von Männern, die zuletzt arbeitslos waren, erfolgte vorzeitig unter Inkaufnahme von Abschlägen, die Hälfte der langzeitarbeitslosen Männer ging mit dem maximalen Abschlag von 18% in Rente. Die bewilligten Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit lagen 2004 mit einer Durchschnittshöhe von 961 Euro deutlich unter dem Niveau der anderen vorgezogenen Altersrenten.

In den nächsten Jahren könnte der Druck zur frühestmöglichen Verrentung älterer Arbeitsloser seitens der Arbeitsagenturen und der Grundsicherungsträger auf ältere Arbeitslose zunehmen. Hintergrund ist die Abschaffung des erleichterten Leistungsbezugs zum 31.12.2007 und das Interesse an einer Vermeidung des hohen Aussteuerungsbetrags, den die Bundesagentur für Arbeit für ALG II-Bezieher nach längerer Arbeitslosigkeit an den Bund zahlen muss. Statt verstärkter Hilfe zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt droht die schnellstmögliche Frühverrentung mit stärkerer Verlagerung der Kosten der Altersarbeitslosigkeit in die gesetzliche Rentenversicherung.

Heribert Engstler & Martin Brussig (2006): Arbeitslosigkeit am Ende des Erwerbslebens. In: informationsdienst altersfragen 33(6), S. 2-6

http://www.dza.de/infodienst/aktuelle.pdf

Weitere Informationen erhalten Sie bei Heribert Engstler, Deutsches Zentrum für Altersfragen (DZA), Manfred-von-Richtofen-Str. 2, 12101 Berlin, Tel.: 030-260740-75, Email: engstler@dza.de

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