Etablierte Wissenschaftsstrukturen blockieren Open Access

Innovative Publikationsformen, die via Internet freien Zugang zum Wissen ermöglichen, werden zurzeit erheblich durch etablierte Strukturen des Wissenschaftssystems blockiert. Aus der Erscheinungsform einer Zeitschrift – ob gedruckt, elektronisch oder beides – und ihrem Vertriebsmodell, kommerziell oder entgeltfrei, können aber keine Rückschlüsse auf ihre Qualität gezogen werden.

Vielmehr sollten die bisher praktizierten Qualitätskontrollen für wissenschaftliche Zeitschriften kritisch hinterfragt und den Möglichkeiten der neuen Medien angepasst werden. Zu diesem Schluss kommen aktuelle Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT/ Fachhochschule Gelsenkirchen) zu den Problemen bei der Durchsetzung von Open Access.

„Einerseits werden der offene Zugang zu Wissen und E-Science propagiert, andererseits wird den elektronischen Zeitschriften die Qualität abgesprochen“, kritisiert die IAT-Wissenschaftlerin Karin Weishaupt in der soeben erschienenen IAT-Online-Publikation „Forschung aktuell“. Open-Access-Zeitschriften können sich nur schwer etablieren, weil ihnen meist der Impact Factor fehlt, vor allem in Deutschland. Der Impact Factor misst die Resonanz eines Artikels im (englischsprachigen) „Web of Science“. Nach Einschätzung von Weishaupt müssen quantitative Verfahren umfassender gestaltet und an die neuen elektronischen Möglichkeiten angepasst werden, wenn sie tatsächlich Qualität messen sollen. Denn Open-Access-Zeitschriften können die spezifischen Möglichkeiten des elektronischen Publizierens besonders gut ausnutzen und z.B. Links auf Literaturquellen, Primärdaten, multimediale und interaktive Elemente oder Suchfunktionen einbeziehen.

Ein weiteres Instrument der Qualitätskontrolle sind Begutachtungsverfahren, die bei Open Access in Deutschland sogar überdurchschnittlich oft angewandt werden: Während insgesamt nur etwa 20 Prozent der wissenschaftlichen Zeitschriften ein Begutachtungsverfahren praktizieren, sind es bei den Open-Access-Zeitschriften mehr als die Hälfte. Aber auch die Begutachtung ist inzwischen aufgrund eklatanter Mängel heftig umstritten. Statt der herkömmlichen blinden Verfahren, die zeitaufwändig, oft subjektiv und ohne offene wissenschaftliche Kommunikation stattfinden, schlägt Weishaupt deshalb offene Begutachtungsverfahren vor: Damit werde insbesondere die Veröffentlichung der Erstfassung eines Textes erheblich beschleunigt; bei einer Autorenbefragung des Instituts Arbeit und Technik gaben 50,11 Prozent der Probanden an, in der Schnelligkeit des Publikationsprozesses einen besonderen Vorteil bei Open Access zu sehen. Dieser sollte nicht durch zeitaufwändige Begutachtungsprozesse verspielt werden.

„Ein Umdenken im Wissenschaftssystem selbst ist angebracht“, so Weishaupt. „Das Bewusstmachen des Widerspruchs zwischen überkommenen Bewertungsstrukturen und dem Streben nach einer Modernisierung des Wissenschaftssystems einschließlich des freien Zugangs zum Wissen ist möglicherweise ein erster Schritt in die richtige Richtung!“

Karin Weishaupt, 2009: Freier Zugang und Qualität – kein Widerspruch! Etablierte Strukturen des Wissenschaftssystems behindern die Durchsetzung von Open Access. Internet-Dokument. Gelsenkirchen: Inst. Arbeit und Technik. Forschung Aktuell, Nr. 04/2009

http://www.iat.eu/publikation/fa.php

Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:
Karin Weishaupt, Durchwahl: 0209/1707-135, E-Mail: weishaupt@iat.eu
Institut Arbeit und Technik
der Fachhochschule Gelsenkirchen
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Claudia Braczko
Munscheidstraße 14
45886 Gelsenkirchen
Tel.: +49-209/1707-176
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