DAX30-Unternehmen weiterhin deutlich internationaler als ihre Vorstände und Aufsichtsräte

Während die größten deutschen Unternehmen hinsichtlich ihrer Geschäftsaktivitäten heutzutage meist sehr international sind, sieht es in den Führungsetagen immer noch anders aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine groß angelegte Studie, welche der Lehrstuhl für Internationales Management und Strategisches Management der ESCP-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat.

Die bisher umfangreichste Untersuchung über die Internationalität der Vorstände und Aufsichtsräte in DAX30-Unternehmen deckt damit erheblichen Nachholbedarf innerhalb der deutschen Corporate-Governance-Gremien auf.

Anders als in früheren Untersuchungen wurde Internationalität in der nun vorgelegten Studie anhand mehrerer Dimensionen gemessen. Nicht nur die Nationalität der Vorstände und Aufsichtsräte, sondern auch deren internationale Erfahrungen während Studium und Karriere sowie deren internationale Mandate gingen in die Analysen ein. Trotz dieses weiten Internationalitätsverständnisses zeigt sich, dass das Internationalitätsniveau der Vorstände und Aufsichtsräte das Internationalitätsniveau der Unternehmen bei Weitem noch nicht erreicht.

„Natürlich darf man Internationalität nicht als alleiniges Persönlichkeits- oder Qualifikationsmerkmal eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieds betrachten“, betont Professor Dr. Stefan Schmid, Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Management und Strategisches Management an der ESCP-EAP Berlin, der die wissenschaftliche Leitung des Forschungsprojekts innehat. „Aber fehlende Internationalität in den Führungsetagen kann negative Konsequenzen haben – nicht nur für die Unternehmensstrategie, sondern auch im Hinblick auf die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber außerhalb Deutschlands.“ So ist es schwierig, High-Potentials im Ausland dauerhaft zu binden, wenn diese feststellen, dass Top-Positionen im Konzern nur Deutschen vorbehalten sind. Selbst im Inland ist es für viele Führungsnachwuchskräfte heutzutage wichtig, dass der potenzielle Arbeitgeber eine internationale Orientierung aufweist. Internationalität – und zwar Internationalität auf zahlreichen Ebenen – ist ein wichtiges Kriterium, um als „employer of choice“ zu gelten.

„Globalisierung“ scheint im Hinblick auf die Führungsetagen noch mehr ein Schlagwort als Realität zu sein. Den so genannten polyglotten „one world manager“ gibt es in der Praxis – zumindest auf der obersten Unternehmensebene – noch selten. Die Studie hat dabei nicht nur Ergebnisse zur Internationalität an sich zutage gebracht. Analysiert wurde auch, mit welchen Ländern auf der Ebene der Corporate-Governance-Gremien Kontakte bestehen. Und dabei zeigt sich, dass viele deutsche Unternehmen immer noch stark eine „westliche Brille“ und dabei insbesondere eine „anlgo-amerikanische Brille“ aufsetzen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) erscheint dies eher vergangenheits- als zukunftsorientiert. Die Autoren der Studie sprechen sich deshalb für eine stärkere pro-aktive Internationalisierung in den Führungsetagen aus. Die Internationalisierung der Vorstände und Aufsichtsräte darf der Internationalisierung der Unternehmen nicht permanent hinterherhinken. Internationalisierung findet nicht nur beim Umsatz oder bei den Vermögenswerten statt. „Internationalisierung muss bei den Persönlichkeiten beginnen, die in Unternehmen zentrale Entscheidungen treffen“, so Dipl.-Psych. Andrea Daniel, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Herrn Professor Schmid, die an der Studie mitgearbeitet hat. Auf diese Weise kann auch verhindert werden, dass Unternehmen im Ausland zu stark als deutsch wahrgenommen werden und als ethnozentrisch gelten.

Manche Unternehmen versuchen zwar, die geringe Internationalität in Vorstand und Aufsichtsrat durch eine verstärkte Internationalität auf der zweiten und dritten Führungsebene „abzufedern“. Doch dies kann zu einer kulturellen Diskrepanz zwischen dem Top-Management und weiteren Management-Ebenen führen. Die Studie liefert auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um den Deutschen Corporate Governance Kodex brisante Ergebnisse. Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt, bei der Besetzung von Positionen im Aufsichtsrat explizit eine adäquate Berücksichtigung der internationalen Aktivitäten des Unternehmens. Dieser Empfehlung scheinen bisher keineswegs alle DAX30-Unternehmen genügend nachzukommen.

Veröffentlichungen:

Die detaillierten Hauptergebnisse der bisher umfassendsten Studie zur Internationalität von Vorständen und Aufsichtsräten in Deutschland finden sich in folgender Publikation:

Schmid, Stefan (2007): Wie international sind Vorstände und Aufsichtsräte? Deutsche Corporate-Governance-Gremien auf dem Prüfstand. Working Paper Nr. 26, ESCP-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin, September 2007, 19 Seiten.

Weitere Ergebnisse der Studie, die Entwicklung des verwendeten Internationalitätsindex und die theoretischen Grundlagen der Internationalitätsmessung werden in einer zusätzlichen Publikation ausführlich dargestellt:

Schmid, Stefan/Daniel, Andrea (2006): Measuring Board Internationalization – Towards a More Holistic Approach, Working Paper Nr. 21, ESCP-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin, Dezember 2006, 49 Seiten.

Beide Publikationen können Sie kostenlos anfordern bei:

Frau Renate Ramlau
Lehrstuhl für Internationales Management und Strategisches Management
ESCP-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin
Heubnerweg 6
D-14059 Berlin
Tel.: 0049-(0)30-32007-137
Fax: 0049-(0)30-32007-107
E-Mail: renate.ramlau@escp-eap.de
Hintergrundinformation:
Die ESCP-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin ist der deutsche Campus der ESCP-EAP European School of Management mit weiteren Standorten in Paris, London, Madrid und Turin. In ihrem weltweit einzigartigen „Multi-Campus“ mit 5 eigenen Standorten in 5 europäischen Ländern vermitteln die transnationalen Programme der ESCP-EAP neben wirtschaftswissenschaftlichen und praxisnahen Fachkenntnissen ein intensives interkulturelles Erlebnis. Vom wirtschaftswissenschaftlichen Hauptstudium über Promotions- und MBA-Programme bis hin zur Corporate Education bietet die ESCP-EAP Berlin ein breites Spektrum an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für internationale Führungskräfte.

Die ESCP-EAP ist als wissenschaftliche Hochschule staatlich anerkannt und arbeitet seit 30 Jahren in Deutschland. Hier ist sie die erste Hochschule, die von allen drei wichtigen internationalen Akkreditierungsagenturen – AACSB, AMBA und EQUIS – anerkannt worden ist. Die ESCP-EAP geht zurück auf die älteste Wirtschaftshochschule Europas und wird von der Deutsch-Französischen Hochschule unterstützt.

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Weitere Informationen:

http://www.escp-eap.de

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