Altes Rätsel neu untersucht – Ultrakalte Atome geben Einsicht in das Dreikörperproblem

Erstaunlicherweise spielen diese Details in der Welt einiger weniger ultrakalten Quantenteilchen keine Rolle mehr und die Beschreibung der Wechselwirkung vereinfacht sich auf die Angabe einer einzigen charakteristischen Größe.

Mit diesem Hintergrund ist es Forschern des Europäischen Institutes für Nichtlineare Spektroskopie (LENS) in Florenz und des 5. Physikalischen Instituts der Universität Stuttgart nun gelungen, etwas mehr Licht auf eines der ältesten Probleme der Physik zu werfen – auf das Dreikörperproblem. Hierüber berichtet die Zeitschrift Nature Physics in ihrer aktuellen Ausgabe*).

Die Bewegungsbahnen zweier Planeten, die sich über die Graviationskraft gegenseitig anziehen, lassen sich mit einer relativ einfachen mathematischen Formel darstellen. Einen entsprechenden Ausdruck für die Beschreibung von drei Himmelskörpern dagegen gibt es nicht. Auch im Bereich der Quantenmechanik, also auf atomarer Skala, ist das Dreikörperproblem eines der großen ungelösten Rätsel. Bereits 1970 sagte der russische Physiker Vitaly Efimov vorher, dass sich drei Quantenteilchen sogar dann aneinander binden können, wenn die einzelnen Teilchenpaare selbst keine Bindung eingehen können.

Diese gebundenen Dreikörper- oder Efimov-Zustände können in verschiedensten physikalischen Systemen auftreten. Ihr Nachweis im Bereich der ultrakalten Atome gelang erstmals im Jahr 2006 in einem Gas aus ultrakalten Cäsium-Atomen.

Die seitherigen Experimente konnten jeweils nur einen gebundenen Dreikörperzustand nachweisen. Efimovs universelle Theorie sagt jedoch eine Serie von Bindungszuständen voraus, deren Bindungsenergien immer um einen Faktor 515 kleiner werden. In einem weiteren experimentellen Test wollten die Wissenschaftler daher nachweisen, dass es aufeinanderfolgende Efimov-Zustände gibt, die das erwartete Skalierungsverhalten zeigen. Hierzu kühlten sie ein Gas aus ultrakalten Kaliumatomen bis fast auf den absoluten Nullpunkt ab.

Bei diesen tiefen Temperaturen kann die Stärke der Wechselwirkung zweier Atome über einen einzigen Parameter, die sogenannte „Streulänge a“, beschrieben werden. Mithilfe eines Magnetfeldes ist es möglich, diese Streulänge über einen sehr großen Bereich nahezu beliebig einzustellen und somit die Wechselwirkung zwischen den Atomen zu kontrollieren. Die Stärke der Wechselwirkung zwischen den Atomen begrenzt wiederum die Bindungsenergie für die Efimov-Zustände und legt damit fest, wie viele Dreikörperzustände sich ausbilden können.

Wolke aus 50.000 ultrakalten Atomen
Im Experiment produzierten die Forscher im Minutenabstand nach stets demselben Schema eine „Wolke“ aus etwa 50.000 ultrakalten Kaliumatomen. Anschließend stellten sie die Streulänge a auf den gewünschten Wert ein und maßen nach einer festen Zeit die Anzahl der verbliebenen Atome. Nun wurde die Streulänge schrittweise erhöht. Bei einem bestimmten Wert von a wurde ein reduzierter Verlust von Atomen registriert, der das Anzeichen für das Auftreten des ersten Efimov-Zustandes war. Nach demselben Verfahren wurde auch der zweite Efimov-Zustand identifiziert, der sich erst bei einem größeren Wert der Streulänge ausbilden konnte. Da die Streulänge a mit der Bindungsenergie verknüpft ist, konnte das experimentelle Ergebnis über das Verhältnis der beiden Bindungsenergien mit der theoretischen Vorhersage verglichen werden. Hierbei bestätigte sich das von Efimov berechnete Skalierungsverhalten.

Die Untersuchungen haben einen wichtigen Beitrag zum generellen Verständnis der gebundenen Dreiteilchenzustände geliefert, der universelle Gültigkeit über den Bereich der ultrakalten Atome hinaus hat. Des Weiteren wurden Hinweise auf gebundene Zustände mit vier Teilchen gefunden, die in zukünftigen Experimenten näher untersucht werden.

*) Matteo Zaccanti, Benjamin Deissler, Chiara D'Errico, Marco Fattori, Mattia Jona-Lasinio, Stefan Müller, Giacomo Roati, Massimo Inguscio and Giovanni Modugno: „Observation of an Efimov spectrum in an atomic system“ in Nature Physics. Advanced Online Publication, DOI: 10.1038/NPHYS1334

Weitere Informationen bei Stefan Müller, 5. Physikalisches Institut,
Tel: 0711/685-64953, e-mail: s.mueller@physik.uni-stuttgart.de

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Ursula Zitzler idw

Weitere Informationen:

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