Antidepressiva ersetzen Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen

Amerikanische Studie kritisiert neuesten Trend

Die Diskussion um den Einsatz potenziell gefährlicher Antidepressiva, denen laut US-Gesundheitsbehörde FDA eine Erhöhung der Suizidgefahr von Behandelten nachgesagt wird, reißt nicht ab. Eine neue Studie von Wissenschaftlern der amerikanischen Stanford University School of Medicine kritisiert den Umstand, dass bei der Behandlung von depressiven Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren in steigendem Ausmaß auf Medikation gesetzt wurde und komplementäre psychotherapeutische Maßnahmen mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt wurden. Dies erscheint insofern problematisch, da die Nebenwirkungen und Langzeitfolgen von Antidepressiva auf junge Patienten als noch nicht ausreichend erforscht gelten.

„Antidepressiva stellen – falls eingesetzt als Teil einer umfassenden Behandlungen mit psychotherapeutischen Aspekten – einen großen Nutzen für individuelle Patienten und die gesamte Gesellschaft dar“, meint Studienautor Jun Ma. Mit den vorgelegten Zahlen über den Zeitraum 1995 bis 2002 wolle man keinesfalls dazu anregen, Andidepressiva bei Kindern und Jugendlichen generell nicht mehr einzusetzen. Es gehe vielmehr darum aufzuzeigen, dass Antidepressiva oftmals zu leichtfertig bzw. ohne therapeutische Zusatzbehandlung verschrieben würden. Ma bezieht sich dabei auf den Umstand, dass im untersuchten Zeitraum die Zahl der Behandlungen von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen von 1,4 Mio. auf 3,2 Mio. angestiegen ist. Im gleichen Zeitraum fiel die Inanspruchnahme von psychotherapeutischen Begleitmaßnahmen allerdings von 83 auf 68 Prozent.

„Insgesamt ist die Datenlage, die Sicherheit und Effektivität von Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen betreffend, unzureichend“, meinte beispielsweise Claudia Klier, Ärztin an der Wiener Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters anlässlich eines Symposiums zum Thema Suizidalität (pressetext berichtete http://www.pressetext.de/pte.mc?pte=051117039 ). Ähnlich wie in Österreich und anderen europäischen Ländern, wo kein einziges Antidepressivum für Kinder und Jugendliche zugelassen ist, erfolgen Verschreibungen auch in den USA häufig „Off-Label“, also ohne gesetzliche Absicherung. Hier orten die Studienautoren großen Nachholbedarf und warnen Ärzte zu mehr Vorsicht.

Dem Appell der amerikanischen Kollegen, in der Deppressionsbehandlung jüngerer Patienten nicht ausschließlich auf medikamentöse Maßnahmen zu setzen und diese mit psychotherapeutischen Maßnahmen zu verknüpfen, kann Siegfried Kasper von der Universitätsklinik für Psychiatrie im Gespräch mit pressetext nur zustimmen. „Gerade bei Kindern und Jugendlichen muss der Behandlungsansatz entsprechend adaptiert werden“, so Kasper, der einmal mehr gesetzliche Rahmenbedingungen für die Verschreibung von Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen einfordert.

Media Contact

Martin Stepanek pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://mednews.stanford.edu

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