Verursachen Viren den plötzlichen Kindstod?
Jedes 500. Neugeborene stirbt in Deutschland an plötzlichem Kindstod – jährlich sind insgesamt etwa 600 Säuglinge betroffen. Damit ist der plötzliche Kindstod die häufigste Todesursache im 1. Lebensjahr. Trotz weltweiter Anstrengungen sind die Ursachen bislang rätselhaft. Forschungsergebnisse an der Universität Bonn legen nun den Schluss nahe, dass in einem Teil der Fälle eine Herzmuskelentzündung für den Tod verantwortlich ist, die durch Viren hervorgerufen wird. In mehr als 20 Prozent der untersuchten Säuglinge konnten die Forscher in Herzgewebeproben Viren-Erbgut nachweisen – Anzeichen einer Infektion im Frühstadium.
Da die virale Herzmuskelentzündung nach herkömmlicher Diagnostik erst zwei bis drei Tage nach der Infektion sichtbare Spuren im Gewebe hinterlässt, die Säuglinge aber offenbar schon im Frühstadium der Entzündung sterben, ergaben mikroskopische Gewebeuntersuchungen des Herzmuskels bislang in der Regel keinen krankhaften Befund. Mit neuen empfindlicheren Methoden lassen sich nunmehr auch beginnende Herzmuskelentzündungen nachweisen – ebenso wie auch die Viren selbst.
Der Bonner Pathologe und Rechtsmediziner Dr. Reinhard Dettmeyer untersuchte Herzgewebeproben von 60 unerwartet verstorbenen Säuglingen mit verschiedenen Methoden. Die Proben enthielten in unterschiedlicher Menge verschiedene Entzündungszellen und Entzündungs-Eiweiße. In 14 von 60 Fällen konnte Dettmeyer Enteroviren nachweisen: In einigen Proben fanden sich sowohl Erbgut als auch umhüllende Eiweiße sogenannter Coxsackie-Viren, in acht weiteren Proben das Erbgut des Parvovirus B19. Von Enteroviren der Coxsackie-Gruppe weiß man, dass sie Herzmuskelentzündungen und schwerste – mitunter tödliche – Herzrhythmusstörungen hervorrufen können.
In einem nächsten Schritt möchte Dettmeyer nun sowohl nach weiteren Virustypen fahnden als auch die Sequenz der übrigen gefundenen Erbsubstanz bestimmen. So ließe sich beispielsweise feststellen, ob alle Entzündungen durch den gleichen Erreger hervorgerufen wurden. In diesem Fall könnte vielleicht eine Impfung das Risiko des plötzlichen Kindstods senken. Ein Rätsel bleibt allerdings bestehen: Experten nehmen an, dass fast alle Kinder in den ersten Lebensjahren einmal Kontakt mit derartigen Viren haben. „Warum einige daran sterben, andere aber kaum Symptome zeigen, ist noch unbekannt“, so Dettmeyer. „Möglicherweise gibt es dafür aber genetische Gründe.“
Weitere Informationen: Dr. Dr. Reinhard Dettmeyer, Institut für Rechtsmedizin der Universität Bonn, Tel.: 0228/73-8331, Fax: 0228/73-8339, E-Mail: rdettmey@uni-bonn.de
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit
Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.
Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.
Neueste Beiträge
Das Mikrobiom verändert sich dynamisch und begünstigt wichtige Funktionen für den Wirt
Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Kieler SFB 1182 untersucht am Beispiel von Fadenwürmern, welche Prozesse die Zusammensetzung des Mikrobioms in Wirtslebewesen steuern. Alle vielzelligen Lebewesen – von den einfachsten tierischen und…
Wasser im Boden – genaue Daten für Landwirtschaft und Klimaforschung
Die PTB präsentiert auf der Woche der Umwelt, wie sich die Bodenfeuchte mithilfe von Neutronenstrahlung messen lässt. Die Bodenfeuchte hat nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern ist als Teil…
Bioreaktor- und Kryotechnologien für bessere Wirkstofftests mit humanen Zellkulturen
Medizinische Wirkstoffforschung… Viele Neuentwicklungen von medizinischen Wirkstoffen scheitern, weil trotz erfolgreicher Labortests mit Zellkulturen starke Nebenwirkungen bei Probanden auftreten. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel die verwendeten Zellen aus tierischem…