Interdisziplinäres Forschungsprojekt der Uni Ulm: Bypass-Operationen am offenen Herzen präziser und sicherer

Das bei Bypass-Operationen am offenen stillgelegten Herzen weltweit erstmals praktizierte Verfahren hat sich inzwischen an elf Patienten mit großem Erfolg bewährt und ermöglicht die intraoperative Navigation am schlagenden wie am stillgelegten Herzen gleichermaßen.

In drei Jahren könnte sich die Methode als Standard etablieren, schätzt der Herzchirurg Dr. Reinhard Friedl, abhängig allerdings von der breiten Verfügbarkeit geeigneter CT-Technologie. Projektleiter Professor Klaus Dietmayer zufolge laufen für die Weiterentwicklung des Navigationssystems bereits Gespräche mit der Medizintechnik-Industrie.

„Das Innovationspotenzial des Projekts ist unstrittig“, sagt der Direktor des Instituts für Mess-, Regel- und Mikrotechnik der Uni Ulm, gemeinsam mit Friedl, dem Radiologen Dr. Martin Hoffmann sowie den Diplom-Physikerinnen Claudia Gnahm und Christine Hartung verantwortlich für die Entwicklung des Konzepts.

Es kombiniert eine völlig neuartige Operationsplanung mittels hoch aufgelöster 3D-Computertomographie(CT)-Aufnahmen mit einem bildgestützten Navigationsverfahren während der Operation.

„Anhand des 3D-CT-Modells werden die späteren Bypassstellen schon vor der Operation exakt geplant“, fügt Dietmayer hinzu. „Schon die Diagnose und exakte Lokalisierung von Stenosen ist einfacher und für den Patienten schonender, da der Einsatz eines Herzkatheders entfällt“, betont Dr. Friedl, inzwischen Privatdozent und Oberarzt am Universitätsklinikum Lübeck, der die elf erfolgreichen Eingriffe in der Ulmer Herzchirurgie vorgenommen hat.

Durchschnittlich drei Bypässe seien bei diesen Eingriffen jeweils gelegt worden, mit einer einzigen Ausnahme alle so gesetzt wie geplant, berichtet der Herz-Spezialist. „Die Computertomographie bei der OP-Vorbereitung ist schon deswegen hilfreich, weil sie auch Plaque-Strukturen abbildet“, so Dr. Hoffmann, Privatdozent und Leitender Oberarzt in der Radiologie des Ulmer Uni-Klinikums.

Als wesentliches Element beim Eingriff selbst bezeichnen die interdisziplinären Uni-Forscher den so genannten Cardio-Pointer. Dieses mit reflektierenden Markern versehene Instrument signalisiert demnach dem Chirurgen in Verbindung mit einem optischen Trackingsystem eine ständige exakte dreidimensionale Positionsbestimmung im Operationsfeld. Ein Stereo-Kamerasystem liefere dazu laufend Bilder und dreidimensionale Oberflächeninformationen des Herzens. Der entscheidende Faktor schließlich des Systems: Der laufende Abgleich mit den vorab gespeicherten Daten ermöglicht dem Chirurgen die Navigation zur präoperativ im 3D-Modell festgelegten optimalen Stelle für den Bypass.

„Beim bisher gängigen Verfahren ist die Genauigkeit nicht messbar“, so Dr. Reinhard Friedl, „wichtig sind Fingerspitzengefühl und Erfahrung des Herzchirurgen“. Insofern sei das Navigationssystem auch ein relevanter Faktor für die Qualitätssicherung in der Medizin, meint Professor Klaus Dietmayer. Der Ingenieurwissenschaftler hatte vor drei Jahren die beiden Mediziner für die Idee gewonnen, die anschließend auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) überzeugt hat. „Die 300 000 Euro für den Innovationspreis Medizintechnik haben uns das Projekt ermöglicht“, erinnert sich Dietmayer. „Ziel ist jetzt ein erfolgreiches Produkt“, sagt sein Partner Friedl. „Jetzt müssen wir unsere Kollegen überzeugen“, weiß Mitstreiter Hoffmann, „aber das dürfte schnell gehen“. Nicht nur er ist davon überzeugt: „Die Lösung ist richtig gut.“

Weitere Informationen: Prof. Dr. Klaus Dietmayer, Tel. 0731/50-26302

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Willi Baur idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-ulm.de/

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