Projektionen zum Meeresspiegelanstieg könnten unterschätzt worden sein

Das geht aus einer Studie hervor, die jetzt im Fachjournal Environmental Research Letters veröffentlicht wurde. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und seine Kollegen vergleichen darin für den Zeitraum zwischen 1990 und 2011 Projektionen mit tatsächlichen Messdaten. Der schnellere Anstieg des Meeresspiegels könnte darauf hinweisen, dass auch für die Zukunft die Berechnungen vom IPCC zu niedrig sind, so die Wissenschaftler.

Der Anstieg des Meeresspiegels hat potenzielle Auswirkungen für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, von Küstenregionen bis hin zu Megastädten wie Tokio.

„Die globale Temperatur steigt weiterhin in der Geschwindigkeit, die in den letzten zwei Sachstandsberichten des IPCC prognostiziert wurde. Das zeigt erneut, dass die Erwärmung sich nicht verlangsamt hat oder hinter den Projektionen zurückbleibt“, sagt Rahmstorf. Für die Studie haben die Forscher aus Potsdam, dem Laboratoire d’Etudes en Géophysique et Océanographie Spatiales (LEGOS) in Frankreich und Tempo Analytics in den USA fünf gemittelte globale Reihen zu Land- und Ozeantemperaturen mit den Projektionen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) verglichen. Um einen möglichst genauen Vergleich zu ermöglichen, wurden von den Forschern dabei auch kurzfristige Temperaturschwankungen durch das El Niño Phänomen, Schwankungen in der Sonnenintensität und Vulkanausbrüche berücksichtigt. Die Ergebnisse bestätigen, dass die in den 1960er und 1970er Jahren von Wissenschaftlern als Konsequenz steigender Treibhausgaskonzentration prognostizierte Erderwärmung sich mit einer unverminderten Geschwindigkeit von 0,16 Grad Celsius pro Dekade fortsetzt und damit den Vorhersagen des IPCC entspricht.

Die Analyse der Daten zum Meeresspiegelanstieg ergab dagegen ein anderes Bild. Wie die neue Studie zeigt, steigen die Ozeane 60 Prozent schneller als nach der mittleren Prognose des Weltklimarats in seinen beiden letzten Sachstandsberichten. Die Forscher verglichen diese früheren Vorhersagen mit Satellitenmessungen des Meeresspiegelanstiegs. Satelliten haben global eine deutlich bessere Abdeckung als Pegelstationen und können durch die Nutzung von Radarwellen und ihrer Reflektion von der Meeresoberfläche den Anstieg exakt messen. Während der IPCC einen Meeresspiegelanstieg mit 2 mm pro Jahr ab dem Jahr 1990 prognostizierte, zeichneten Satellitendaten einen Anstieg von 3,2 mm pro Jahr auf. Dass nur ein vorübergehender Eisverlust von den Eisschilden Grönlands oder der Antarktis oder andere interne Schwankungen im Klimasystem für die erhöhte Geschwindigkeit des Meeresspiegelanstiegs verantwortlich sind, ist der Studie zufolge unwahrscheinlich. Die Anstiegsrate des Meeresspiegels korreliert eng mit der Zunahme der globalen Mitteltemperatur.
„Im Unterschied zur Physik der globalen Erwärmung selbst ist der Meeresspiegelanstieg deutlich komplexer. Es ist wichtig immer wieder zu prüfen, wie gut frühere Prognosen mit dem seither beobachteten tatsächlichen Verlauf übereinstimmen, um künftige Projektionen zu verbessern“, sagt Rahmstorf. „Die neuen Erkenntnisse unterstreichen, dass der IPCC keineswegs alarmistisch ist, sondern in einigen Fällen sogar die Klimarisiken unterschätzt hat“.

Artikel: Rahmstorf, S., Foster, G., Cazenave, A. (2012): Comparing climate projections to observations up to 2011. Environ. Res. Lett. 7 044035 [DOI:10.1088/1748-9326/7/4/044035]

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Sarah Messina PIK Potsdam

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