Uralt und widerstandsfähig: Wie Gebirgspflanzen dem Klimawandel trotzen

Von der Krummsegge dominierter Pflanzenbestand in den Schweizer Alpen. Durch systematische Beprobung und molekulare Fingerprints werden die Grösse von Klonen und indirekt ihr Alter analysiert. Foto: L. de Witte<br>

Alpin-arktische Pflanzenarten haben sich an die besonderen Lebensbedingungen oberhalb der Baumgrenze oder in der Tundra angepasst. Solche klonalen Pflanzen vermehren sich sowohl ungeschlechtlich (durch vegetatives Wachstum) auch als geschlechtlich (durch die Bildung von Samen).

Viele von ihnen wachsen extrem langsam und können grosse Klone bilden. Oft dominieren solche Arten die Pflanzengesellschaften in kalten Lebensräumen. Langlebigkeit kann massgeblich zur Stabilität von Pflanzen gegen Klimaveränderungen beitragen. Ausserdem spielt es für die langfristige Anpassungsfähigkeit eine Rolle, ob Populationen aus wenigen grossen Klonen oder aus einer Vielzahl unterschiedlich alter Individuen bestehen.

Dr. Lucienne de Witte und Prof. Jürg Stöcklin von der Universität Basel haben mit sogenannten molekularen Fingerprints Populationen von vier wichtigen Gebirgspflanzenarten in den Alpen, den Karpaten und in Lappland untersucht. Damit können Pflanzenindividuen genetisch unterschieden werden. Die Forschenden wollten herausfinden, wie gross und wie alt diese Individuen sind und wie viel anpassungsfähiger Nachwuchs vorhanden ist. In allen Populationen fanden sie Individuen unterschiedlichster Grösse – von wenigen Zentimetern bis zu 18 Metern – und ein geschätztes maximales Alter zwischen 500 und bis zu 4900 Jahren. Trotz der erstaunlichen Langlebigkeit einzelner Individuen war die genetische Vielfalt immer hoch, und in allen Populationen dominierten eher kleinere, jüngere Individuen.

Die Ergebnisse sind bedeutsam, wenn man die Auswirkungen des aktuellen Klimawandels auf langlebige Pflanzen verstehen will. Offenbar haben klonale Gebirgspflanzen an ihrem Standort während Hunderten und Tausenden von Jahren überlebt, und dies trotz Temperaturschwankungen von mehreren Grad Celsius. Die Kombination von Langlebigkeit und einer kontinuierlichen Rekrutierung von anpassungsfähigem Nachwuchs garantiert eine maximale Überlebensfähigkeit dieser Pflanzen – zumindest solange der Klimawandel nicht so rasch stattfindet, wie es die extremsten Szenarien der Klimaforscher beschreiben.

Originalbeitrag
de Witte LC, Armbruster GFJ, Gielly L, Taberlet P and Stöcklin J.
AFLP markers reveal high clonal diversity and extreme longevity in four key arctic-alpine species

Molecular Ecology (2012) vol 21, issue 5, 1081–1097, doi: 10.1111/j.1365-294X.2011.05326.x

Weitere Auskünfte
• Prof. Jürg Stöcklin, Universität Basel, Botanisches Institut, Schönbeinstrasse 6, 4056 Basel, Tel. +41 (0)61 267 35 01, +41 (0)79 817 57 33, E-Mail: juerg.stoecklin@unibas.ch

• Dr. Lucienne de Witte, Universität Basel, Botanisches Institut, Schönbeinstrasse 6, 4056 Basel, Tel. +41 (0)61 267 29 76, E-Mail: lc.dewitte@gmail.com

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Christoph Dieffenbacher Universität Basel

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