Menschliche Surfactant Proteine in Bakterien verfälschen wissenschaftliche Arbeiten

Elektronenmikroskopische Abbildung der Bakterienart Staphylococcus aureus: Die gebundenen Goldpartikel (rote Pfeile) spiegeln die Reaktion auf Antikörper wieder (links). Mit diesen Tests weisen Forscher die Konzentration von Proteinen nach. Die Immunfluoreszenz-Mikroskopie veranschaulicht, wie sich Antikörper an die Bakterienoberfläche binden (rechts).<br>Bild: Dr. Martin Schicht<br>

Forscher des Lehrstuhls für Anatomie II an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben nun nachgewiesen, dass auch krankheitserregende Bakterien diese Proteine enthalten. Dieses Ergebnis, das die Erlanger Forscher jetzt in der Fachzeitschrift PLoS ONE veröffentlicht haben, stellt die Befunde zahlreicher wissenschaftlicher Studien in Frage.

Die sogenannten Surfactant Proteine (vom englischen Begriff „surface active agent“ – oberflächenaktive Substanz) sind Eiweiße, die im menschlichen Körper vielfältige Funktionen übernehmen: In der Lunge sorgen sie dafür, dass die Lungenbläschen beim Ausatmen nicht zusammenfallen, in Geweben wie der Nasenschleimhaut verhindern sie deren Austrocknen. Außerdem spielen sie eine wichtige, immunologische Rolle: Als Teil des Immunsystems binden sich die Surfactant Proteine an Erreger und aktivieren so die spezifische Immunabwehr, die die krankheitserregenden Bakterien systematisch bekämpft.

Die beiden FAU-Forscher Prof. Dr. Lars Bräuer und Dr. Martin Schicht sowie ihre Kollegen haben diese Proteine nun in zwei krankheitserregenden Bakterienarten nachgewiesen: in Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa, beides Keime, die schwere Infektionen in der Lunge und auch in anderen Organen auslösen können. Mit weitreichenden Folgen: Zahlreiche wissenschaftliche Studien, die standardisierte Tests nutzen, um die Konzentration der Surfactant Proteine im menschlichen Körper zu ermitteln, könnten ein verzerrtes Ergebnis hervorbringen.
„Es existieren bislang keine Informationen oder Untersuchungen, ob es sich bei den entsprechend nachgewiesenen Proteinen um menschliche oder tatsächlich um bakterielle Proteine handelt. Die Ergebnisse könnten also durchaus auch die Konzentration der bakteriellen Proteine widerspiegeln“, so Bräuer. „Dadurch stützen sich möglicherweise eine sehr große Zahl von Publikationen auf verzerrte Ergebnisse.“ Die Entdeckung ist umso schwerwiegender, als dass die Konzentration der Surfactant Proteine in klinischen Studien und bei der Entwicklung von Therapieoptionen – zum Beispiel bei Mukoviszidose – eine große Rolle spielt.

Die Erforschung der bakteriellen Proteine stand dabei zunächst gar nicht im Fokus der Wissenschaftler, die am Lehrstuhl von Prof. Dr. Friedrich Paulsen forschen. Eigentliches Forschungsziel war die bessere Charakterisierung der menschlichen Surfactant Proteine in unterschiedlichen Organsystemen. Aus Kontrollgründen testeten Bräuer und sein Team in Voruntersuchungen jedoch die Bakterien auf Vorkommen der Proteine – mit einem positiven Ergebnis hatte aber keiner gerechnet. „Zunächst hatten wir an eine Verunreinigung gedacht und haben die Untersuchungen intensiviert“, so Bräuer. Schließlich wurde daraus ein eigenes Projekt, dessen überraschendes Ergebnis die Forscher nun veröffentlicht haben. „Die Entdeckung der bakteriellen Proteine ist eine grundlegende Erkenntnis für eine Vielzahl weiterer Untersuchungen“, erklärt Bräuer.

Eignen sich Bakterien menschliche Proteine an?
Mit den Ergebnissen hat Bräuers Forschergruppe mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. „Wir stehen erst am Anfang der Erforschung dieser bakteriellen Proteine“, sagt Bräuer. „Es gilt nun herauszufinden, ob und wie die Proteine möglicherweise in die Bakterien integriert sind.“ Zurzeit untersuchen er und sein Team einen möglichen horizontalen Gentransfer – die Fähigkeit von Bakterien, sich menschliche Proteine anzueignen.

Der Originalartikel „Staphylococcus aureus and Pseudomonas aeruginosa Express and Secrete Human Surfactant Proteins“ von Lars Bräuer, Martin Schicht, Dieter Worlitzsch, Tobias Bensel, R. Gary Sawers und Friedrich Paulsen wurde in der Fachzeitschrift PLoS ONE veröffentlicht (doi: 10.1371/journal.pone.0053705).

Weitere Informationen:
Dr. Martin Schicht
Tel.: 09131/85-26734
martin.schicht@anatomie2.med.uni-erlangen.de
Prof. Dr. Lars Bräuer
Tel.: 09131/85-22864
lars.braeuer@anatomie2.med.uni-erlangen.de

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