Chemiker der Uni Graz ermöglichen effiziente Herstellung des Anti-Malaria-Wirkstoffs Artemisinin

Teil eines Flow-Reaktors, durch den eine grün eingefärbte Flüssigkeit und Sauerstoff (Bläschen) gepumpt werden. Bartholomäus Pieber/Uni Graz

Artemisinin ist einer der bedeutendsten Arzneistoffe gegen die Tropenkrankheit Malaria, an der laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich knapp eine Million Menschen sterben. Eine Pflanze des Einjährigen Beifußes, aus dessen Blättern und Blüten die Substanz gewonnen werden kann, enthält knapp ein Prozent des wertvollen Wirkstoffs sowie in größeren Mengen die zwei Vorläufermoleküle Artemisininsäure (AA) und Dihydroartemisininsäure (DHAA).

Artemisininsäure kann in DHAA umgewandelt werden, und aus dieser Substanz lässt sich dann Artemisinin synthetisieren. Derzeit geschieht dies großteils im Batch (Kessel)-Verfahren entweder mit Wasserstoff und teuren Metall-Katalysatoren oder unter Zugabe von Hydrazin und Sauerstoff, einem hochexplosiven Gemisch. Letztere Methode ist nicht nur äußerst aufwändig, sondern unter anderem aufgrund der nötigen Sicherheitsvorkehrungen auch sehr teuer.

Eine effiziente, sichere, ressourcen- und umweltschonende Alternative bietet die Flow Chemistry. Experten auf diesem Gebiet forschen an der Karl-Franzens-Universität Graz im Christian Doppler Labor für Durchflusschemie, so die deutsche Bezeichnung. Univ.-Prof. Dr. Oliver Kappe, Ass.-Prof. Dr. Toma Glasnov und Bartholomäus Pieber, MSc, ist es nun erstmals gelungen, ein kostengünstiges und unbedenkliches Verfahren für die Synthese von DHAA aus AA mittels Flow Chemistry zu etablieren.

„Gerade bei gefährlichen Reaktionen bietet sich die Flow Chemistry an“, betont Oliver Kappe. „Die für die Synthese nötigen Komponenten werden rasch durch Reaktionskammern im Mikroliterbereich gepumpt. Dadurch wird das Risiko minimiert.“

Ein weiterer Vorteil gegenüber dem Batch-Verfahren ist, dass die einzelnen Prozesse nacheinander jeweils in einer Kammer ablaufen, ohne dass das Reaktionsgemisch nach jedem Schritt herausgenommen und für den nächsten aufbereitet werden muss.

Weil in den kleinen Reaktoren extreme Temperatur- und Druckbedingungen erzeugt werden können, erhöht sich die Prozessgeschwindigkeit um ein Vielfaches und es finden weniger Nebenreaktionen statt, wodurch keine gefährlichen Abfallstoffe entstehen. Im Falle der Synthese von DHAA aus einer Mischung von AA, Hydrazin und Sauerstoff bleiben nur Wasser und Stickstoff als Nebenprodukte übrig. Hinzu kommt, dass sich das Verfahren auch einfach für die Produktion in industriellem Maßstab einsetzen lässt.

Vor einigen Jahren entdeckte Prof. Peter H. Seeberger vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam einen Weg, Artemisinin mittels Flow Chemistry aus Artemisininsäure herzustellen. Nun ist den Grazer Kollegen, allen voran Dissertant Bartholomäus Pieber, Erstautor der aktuellen Publikation, auch die Synthese aus dem zweiten Vorläufermolekül, der Dihydroartemisininsäure, gelungen. Von Letzterer lässt sich besonders viel aus dem Einjährigen Beifuß extrahieren. Somit ist es nun möglich, alle „Quellen“ der Pflanze mit Hilfe der Flow Chemistry zur Artemisinin-Produktion optimal zu nutzen.

Publikation:
Continuous Flow Reduction of Artemisinic Acid Utilizing Multi-Injection Strategies – Closing the Gap Towards a Fully Continuous Synthesis of Antimalarial Drugs
Bartholomäus Pieber, Toma Glasnov and Oliver Kappe
Chemistry: A European Journal, first published online: 5 Feb 2015
DOI: 10.1002/chem.201406439

Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Oliver Kappe
Institut für Chemie der Karl-Franzens-Universität Graz
Tel.: 0043 (0)316/380-5352
E-Mail: oliver.kappe@uni-graz.at

http://www.maos.net Arbeitsgruppe von Oliver Kappe

Media Contact

Mag. Gudrun Pichler Karl-Franzens-Universität Graz

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Aufbruchstimmung in der Alzheimer-Forschung

Bei der Alzheimer Erkrankung lagern sich Eiweiße im Gehirn ab und schädigen es. Prof. Dr. Susanne Aileen Funke von der Hochschule Coburg hat eine Methode gefunden, die solche gefährlichen Eiweißverbindungen…

Chronische Entzündungen durch Ansätze aus der Natur behandeln

Die interdisziplinäre Forschungsgruppe „nature4HEALTH“ hat jüngst ihre Arbeit aufgenommen. Das Team der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Universitätsklinikums Jena entwickelt ganzheitliche naturstoffbasierte Therapieansätze für die Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen. Chronische Entzündungen sind…

Antivirale Beschichtungen und Zellkultur-Oberflächen maßgeschneidert herstellen

Verfahren der Kieler Materialwissenschaft ermöglicht erstmals umfassenden Vergleich von Beschichtungen für biomedizinische Anwendungen. Der Halteknopf im Bus, die Tasten im Fahrstuhl oder die Schutzscheibe am Anmeldetresen in der Arztpraxis: Täglich…

Partner & Förderer