Schnellprognose für verschmutzte Standorte
Das Projekt „Biotool“ will Bakterien-Moleküle für Voraussagen nutzen
Bakterien können sich oft gut an Umweltbelastungen anpassen. Sie bilden dazu spezifische Proteine – Biomoleküle, die ihnen helfen, Schadstoffe abzubauen und unter widrigen Bedingungen zu überleben. Die genauere Untersuchung solcher Moleküle soll künftig schnell und zuverlässig Auskunft über die Selbstreinigungsaktivität von verschmutzten Standorten geben. Die Methoden für solche Untersuchungen zu entwickeln ist die Aufgabe von „Biotool“, einer länderübergreifenden Forschungskooperation von neun Laboren aus Deutschland, Spanien, Tschechien, Dänemark und der Schweiz. Die Europäische Union unterstützt das Vorhaben mit 1,8 Millionen Euro. Koordinator des Projekts ist die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig (GBF).
Aufschlussreiche Biomoleküle
Die Zahl der Standorte, auf denen Boden oder Wasser mit Umweltgiften kontaminiert sind, wird europaweit auf mehrere Hunderttausend geschätzt. „Wir untersuchen, wie der Stoffwechsel der oberflächennahen Boden- und Wasserbakterien auf bestimmte Umweltbelastungen reagiert“, erklärt GBF-Wissenschaftler Dr. Dietmar Pieper, Koordinator von Biotool. „Durch die Untersuchung von charakteristischen Proteinen und Genen wollen wir feststellen, ob an belasteten Standorten ein Selbstreinigungspotenzial vorhanden ist – und wie aktiv die Bakterien tatsächlich Schadstoffe abbauen. Zudem wollen wir erforschen, in wie weit ein bestimmtes Spektrum von Bakterien-Proteinen auf eine Entwicklungsfähigkeit der Mikroorganismen-Gemeinschaft hindeutet. Bei starker Belastung bilden die Bakterien zum Beispiel Moleküle, die schnelle, häufige Änderungen im Erbgut hervorrufen – das ermöglicht ihnen die zügige Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. Wenn man solche Zusammenhänge genau verstanden hat, kann man frühzeitig erkennen: Werden die Bakterien es schaffen, die Schadstoffe abzubauen? Wie stark wird die Belastung in ein paar Jahren sein?“
Zunächst betrachten die beteiligten Arbeitsgruppen die Reaktion der Bakterien auf chlorierte Lösungsmittel und aromatische Kohlenwasserstoffe. „Diese Substanzklassen verursachen in Europa die häufigsten Grundwasser-Verschmutzungen“, sagt Pieper.
Suche nach „Stress-Genen“
Neben der Untersuchung von Proteinen nehmen die Wissenschaftler die Gene ins Visier, in denen die Baupläne für diese Proteine gespeichert sind: „Wir wollen DNA-Chips entwickeln, die uns zeigen, welche Gene die Bakterien in Gegenwart von chlorierten Kohlenwasserstoffen anschalten.“
Die dabei entwickelten Schnelldiagnose-Verfahren werden, so hoffen die Mitarbeiter des Projekts, in einigen Jahren zu einem Verständis der Aktivität und Anpassungsfähigkeit bakterieller Lebensgemeinschaften führen. „Das Instrumentarium ließe sich dann – leicht abgewandelt – auch für die Untersuchung von bakteriellen Lebensgemeinschaften verwenden, in denen Krankheitserreger auftreten“, erklärt Pieper, „etwa in der Infektionsökologie, in der man untersucht, wo sich Erreger-Reservoirs verbergen und welche Umwelteinflüsse ihre Ausbreitung begünstigen.“
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